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13 - Wo kein Zeuge ist

13 - Wo kein Zeuge ist

Titel: 13 - Wo kein Zeuge ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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Leiterin von Colossus begleitete Griffin Strong persönlich zu Barbara. Sie stellte sie einander vor, und die Art, wie sie seinen Namen sagte, ganz zu schweigen von der Art, wie sie ihn anschaute - mit einem Ausdruck, nicht unähnlich dem auf Barbaras eigenem Gesicht, wenn sie einen obstgekrönten Käsekuchen sah -, war wie eine Neonreklame des Geheimnisses, das Ulrike oder auch beide zu wahren suchten. Und offensichtlich musste es ein Geheimnis sein. Nicht nur hatte Robbie Kilfoyle das Wort »Ehefrau« im Zusammenhang mit Strong erwähnt, sondern obendrein trug der Mann einen Ehering etwa von der Größe eines Lkw-Reifens. Was wiederum eine kluge Maßnahme war, dachte Barbara. Strong war so ungefähr die schönste Kreatur, die sie je unbehelligt durch die Straßen Londons hatte wandeln sehen. Zweifellos brauchte er irgendetwas, um die Scharen von Frauen abzuwehren, denen die Kinnlade vermutlich bis auf die Brust fiel, wenn er vorbeikam. Er sah aus wie ein Filmstar. Er sah besser aus als ein Filmstar. Er sah aus wie ein Gott.
    Und außerdem sah er beunruhigt aus. Barbara konnte noch nicht sagen, ob das für ihn sprach oder nahe legte, ihn genauer unter die Lupe zu nehmen.
    »Ulrike hat mir von Kimmo Thorne und Sean Lavery erzählt«, sagte er. »Ich sag es Ihnen lieber gleich: Sie waren beide in meiner Gruppe. Sean hat vor zehn Monaten den Einstufungskurs bei mir gemacht, Kimmo war gerade noch dabei. Ich habe Ulrike gleich Bescheid gegeben, als er - Kimmo - nicht erschienen ist. Natürlich wusste ich nicht, dass Sean vermisst wird, da er im Moment nicht in meiner Gruppe ist.«
    Barbara nickte. Hilfreich, dachte sie. Und die Bemerkung über Sean wies auf einen interessanten Aspekt hin.
    »Können wir irgendwo in Ruhe reden?«, fragte sie ihn. Es war ja nicht nötig, dass Ulrike Ellis jedes Wort hörte.
    Strong erklärte, er teile ein Büro mit zwei weiteren Einstufungsleitern. Die waren heute aber mit ihren Gruppen unterwegs, und wenn sie ihm folgen wolle, dort wären sie ungestört. Er habe allerdings nicht viel Zeit, da er eingeteilt sei, eine Schar Jugendlicher zum Rudern auf den Fluss zu begleiten. Er warf Ulrike einen raschen Blick zu und bedeutete Barbara mit einer Geste, ihm zu folgen.
    Barbara versuchte, diesen Blick und das nervöse Lächeln auf Ulrikes Lippen zu interpretieren. Du und ich, Baby. Unser Geheimnis, Liebling. Wir reden später. Ich will dich nackt. Bitte erlöse mich in fünf Minuten. Die Möglichkeiten schienen unbegrenzt.
    Barbara folgte Griffin Strong - »Nennen Sie mich Griff« - zu einem Büro gleich hinter dem Empfang. Es war nach dem gleichen Prinzip eingerichtet wie Ulrikes: viel Unordnung, wenig verfügbarer Platz. Bücherregale, Aktenschränke, ein Schreibtisch für alle. Die Wände waren mit Postern bepflastert, die junge Menschen in positiver Weise beeinflussen sollten: Legasthenische Fußballspieler mit merkwürdigen Frisuren, die vorgaben, Charles Dickens zu lesen; Popstars, die dreißig Sekunden Sozialdienst in einer Suppenküche leisteten. Colossus-Poster rundeten dieses Bild ab. Auf ihnen war das vertraute Logo zu sehen, der Riese, der sich von den Kleinen und Schicksalgebeutelten vereinnahmen ließ.
    Strong trat an einen der Schränke und durchsuchte eine überfüllte Schublade nach zwei Akten. Er schaute hinein und berichtete, dass Kimmo Thorne über das Jugendgericht zu Colossus gekommen war, weil er eine Vorliebe für den Verkauf gestohlener Gegenstände an den Tag gelegt hatte. Sean war durch das Jugendamt vermittelt worden wegen einer Geschichte mit einem gestohlenen Mountainbike.
    Wieder diese Zurschaustellung von Hilfsbereitschaft. Strong legte die Akten zurück, ging zum Schreibtisch, wo er sich setzte und seine Stirn rieb.
    »Sie sehen müde aus«, bemerkte Barbara.
    »Ich habe ein Baby mit Koliken«, erklärte er, »und eine Frau mit postnataler Depression. Ich komme zurecht, aber nur so gerade.«
    Das erklärte zumindest teilweise, was zwischen ihm und Ulrike vorging, dachte Barbara. Es fiel in die Kategorie »armer missverstandener und vernachlässigter Ehemann« plus außerehelicher Was-auch-immer. »Harte Zeiten«, erwiderte sie mitfühlend.
    Er schenkte ihr ein strahlendes Lächeln mit - was sonst? - perfekten, weißen Zähnen. »Es ist die Mühe wert. Ich werd die harten Zeiten schon überstehen.«
    Darauf wette ich, dachte Barbara. Sie fragte ihn nach Kimmo Thorne. Was wusste Strong über den Werdegang des Jungen bei Colossus? Über seine Beziehungen hier?

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