130 - Höllenfahrt
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»Warum nicht?« Dr. Laird zuckte die Achseln. »Ich schätze die Daa'muren nach ihrer bisherigen Vorgehensweise als von einem Befehlshaber gelenkt ein. Sie handeln offensichtlich in genau definiertem Auftrag. Auch der Stirnreif weist darauf hin; mit ihm halten sie Kontakt zu ihrem Anführer. Ohne ihn wird ihre ganze Befehlsstruktur vermutlich zusammenbrechen.«
»Ich halte das für ein Unterfangen ohne jede Chance auf Erfolg«, sagte Dave ablehnend, und Jed nickte zustimmend.
Katja Mirren blickte zerstreut umher und bezog keine Stellung. Sie wirkte nervös, unruhig, als hätte sie schon längst etwas Anderes, Wichtigeres vor.
»Vielleicht brauchen wir dazu nur die entsprechende Unterstützung«, sagte Matt nachdenklich. Es war seine erste Bemerkung seit Eröffnung der Konferenz, und die anderen schauten ihn verdutzt an.
»Du denkst an einen unserer Verbündeten?«, fragte Dave.
»Exakt. Aber an einen, der nicht auf der Liste steht,« Er erhob sich. »Er… oder vielmehr sie traf gestern Abend in London ein und bat mich zu einem geheimen Treffen. Um mir einen Plan zu unterbreiten, der meiner Ansicht nach durchaus gute Erfolgschancen hat. – Mit Ihrer aller Erlaubnis möchte ich Ihnen jetzt unseren Gast vorstellen…«
»Das ist eine absolut unübliche Vorgehensweise!«, protestierte Dr. Laird. »Warum wurden wir nicht vorab informiert?«
Dave McKenzie, dem sie in den letzten Stunden ein paar Mal über den Mund gefahren war und deutlich gemacht hatte, dass sie seine Befähigung zur Leitung der Task Force für nicht ausreichend hielt, sah eine gute Gelegenheit, sie zurecht zu stutzen.
»Ich sehe keinen Fehler in Commander Drax' Handeln«, sagte er. »Wenn du für deinen Gast bürgst, Matt, genügt mir das.«
»Aber…«, setzte die Psychologin erneut an, doch Dave hob die Hand.
»Ich habe uneingeschränktes Vertrauen zu Matthew Drax, ebenso wie Queen Victoria. Ohne ihn gäbe es die Hälfte unserer Verbündeten gar nicht. Doktor Stuart, Mister Shaw – erheben Sie Einspruch?«
»Ich?« Stuart winkte ab. »Ich bin neugierig.«
Shaw zuckte die Achseln. »Ich habe auch nichts dagegen.«
Katja Mirren wurde erst gar nicht gefragt, anscheinend dachte niemand mehr an sie.
***
Matt verließ den Raum und kehrte kurz darauf in weiblicher Begleitung zurück. »Ich darf euch eine neue mächtige Verbündete vorstellen – Ch'zzarak, Königin von Aarachne, dem früheren Aachen, und Herrscherin über schätzungsweise drei Milliarden Insekten und Spinnentiere.«
Sämtliche Augenpaare im Raum weiteten sich. Die Frau an seiner Seite hatte eine vollendete Figur, ein anmutiges Gesicht und lange schwarze Haare. Sie trug einen aufwändigen, aus Chitin gefertigten Harnisch und als Kopfpanzerung einen offenbar ausgehöhlten Käferkopf, noch mit Fühlern daran.
Noch bizarrer war jedoch ihre Panzerung, die zu leben schien. Bei genauerem Hinschauen erkannte man, dass Insekten unablässig darüber wimmelten.
Matt betrachtete voller Vergnügen die unterschiedlichen Reaktionen der anderen. Dave war der Unterkiefer heruntergeklappt, er schwankte zwischen Schauder und Faszination. Ariana Laird schaffte es nicht, ihren Ekel hinter einer kühl-arroganten Fassade zu verbergen. Sie wirkte ganz so, als wollte sie sich jeden Moment übergeben.
Katja Mirren glotzte Ch'zzarak unverhohlen an, mit tausend Fragen auf dem rosigen Gesicht. Sie betrachtete den Gast rein wissenschaftlich.
Peter Shaw kannte Ch'zzarak bereits von dem gemeinsamen Abenteuer mit Matt in Aachen; er als Einziger wirkte keineswegs überrascht.
»Ch'zzarak ist ein Hybride infolge Jahrhunderte langer Genmanipulationen«, fuhr Matt fort. »Bei ihrer letzten Verpuppung hat sie sich für eine menschliche Form entschieden und ist nun bestrebt, unsere Spezies besser kennen zu lernen.« Das traf es zwar nicht ganz, aber Matt hatte sich bewusst für eine möglichst knappe Erklärung für Ch'zzaraks komplizierte Menschwerdung entschieden.
»Sehr, äh, erfreut!«, platzte Jed Stuart heraus, nachdem er sich gefangen hatte. »Ich bin äußerst… nun, erfreut, Sie endlich kennen zu lernen. Durch Matts Berichte habe ich schon viel über Sie gehört, aber das kann eine, äh, persönliche Begegnung natürlich nicht ersetzen!« Er ging zu Ch'zzarak, ergriff ihre Hand und schüttelte sie. Die wimmelnde Insektenschar ignorierte er geflissentlich, und auch, dass ihre Finger überproportional lang waren und schwarze Krallen statt Nägeln besaßen.
Ch'zzarak sah ihn überrascht an.
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