1306 - Hexenbalg
Nicht die Touristen, die das Geld in den Kassen klingeln ließen. Es waren mehr die Einheimischen, die in den kleinen, oft versteckt liegenden Orten und Gehöften lebten, die so dachten.
Der Bauer hatte die Augen weit aufgerissen, als er flüsterte: »Jetzt sind Sie dem Tod geweiht!«
»Irrtum, das bist du!«
Schwaiger begriff die Antwort nicht so richtig. Erst als Theo Thamm einen Schritt nach vorn ging und das Messer so kippte, dass die Klinge auf ihn zeigte, wurde ihm wieder bewusst, in welch tödlicher Gefahr er schwebte.
Das Blut fiel nicht mehr in dicken Tropfen zu Boden. Aber es klebte nach wie vor an der Klinge, und es würde den Mörder bei seiner Tat nicht behindern.
Thamm ließ die Figur wieder in seiner Tasche verschwinden. Er lächelte dünn, denn er freute sich auf das, was er vorhatte. In seinen kleinen Augen war das Glitzern nicht zu übersehen. Es wies darauf hin, dass er jemand war, der sich auf den Mord freute. So etwas konnte nur ein kranker Mensch sein.
»Du bist dran, Bauer!«
Thamm war sich seiner Sache so sicher. Er warf sein Messer von einer Hand in die andere, während er auf Schwaiger zuging. »Wer will dir jetzt helfen, Bauer? Du kannst schreien. Du kannst um Hilfe rufen, aber dich wird niemand hören, und ich weiß auch, dass du sehr bald an deinem eigenen Blut ersticken wirst.«
Vinzenz Schwaiger wusste noch immer nicht, was er glauben sollte. Für ihn war das alles so wenig real. Er sah sich nicht mehr im normalen Leben, sondern mehr auf einer Bühne, auf der ein Ein-Personen-Stück gespielt wurde.
Mörder und Killer kannte er nur aus dem Fernsehen. Und dabei schaltete er zumeist ab.
Thamm grinste nur. Das Gesicht in seinem ovalen, fast blanken Kopf war zu einer grinsenden Grimasse eingefroren. Hätte er Hörner besessen, hätte er im Karneval als Teufel mitmischen können.
Leider war er ein echter Teufel, der weder auf tierisches noch auf menschliches Leben Rücksicht nahm.
Theo sprang vor.
Er war schnell, zu schnell für Vinzenz, der überhaupt nichts mehr tat. Er riss im Reflex seine Arme hoch, sah noch die Klinge und hörte aus dem Mund des Mörders einen satten Laut.
Dann erwischte ihn der Stahl des Hirschfängers!
Es war grausam für Vinzenz Schwaiger, und es kam so, wie es Thamm vorausgesagt hatte. Schwaiger bekam keine Luft mehr. Er spürte den Geschmack von Blut in seinem Mund, und die Gestalt vor ihm verschwamm.
Er sah noch, wie das Messer aus seinem Körper wieder hervorglitt, dann fiel er nach hinten und schlug hart wie ein umgekipptes Brett am Boden auf.
Den Aufprall erlebte er nicht mehr. Da war er bereits tot.
Theo Thamm nickte zufrieden. Er lächelte. Das kalte Glitzern schimmerte wieder in seinen Augen. Er hatte seine »Pflicht« getan und wischte nur noch die Klinge an der Kleidung des Toten ab. Erst jetzt konnte er zufrieden sein.
Er drehte sich um.
Das Tor stand noch offen. Die kalte Nachtluft kroch hinein. Licht fiel aus dem Stall nach draußen und malte den Schnee an und damit auch die Spuren, die der Bauer beim Herkommen hinterlassen hatte.
Auch Thamm hatte Abdrücke zurückgelassen. Allerdings an einer anderen Stelle. Hinter dem Stall. Es war ihm egal, ob sie gefunden wurden oder nicht. Er hatte sich geholt, was er wollte, und er fühlte sich so gut wie lange nicht mehr.
Mit gemessenen Schritten schob er sich nach draußen und in die Stille der klaren winterlichen Gebirgsnacht hinein. Tief saugte er die Luft ein und schaute hinab auf die wenigen Lichter des im Tal liegenden Ortes Fischen.
Dort und auch in der Umgebung lebten Menschen, die von nichts ahnten. Das war auch gut so, aber es würde nicht lange dauern, dann würde die Angst wie ein Gespenst umhergehen, und Thamm war es, der sie dirigierte.
Er griff in die Tasche und umschlang mit seiner Hand dieses kleine Kind. Mit der Daumenkuppe strich er über das kleine Gesicht und hatte schon das Gefühl, als würde sich der Mund bewegen.
Na also, es ging doch.
Ja, die Zukunft sah wirklich gut für ihn aus…
***
Ich hatte ungefähr eine Stunde und zwei Minuten verstreichen lassen und mich dann auf den Weg gemacht, um die schlafende Jane Collins zu besuchen. Um sie nicht schon vorher zu stören, war ich mit leisen Schritten die Treppe hochgeschlichen, stand nun vor der Tür zu ihrer kleinen Wohnung und lauschte.
Es war kein Geräusch zu hören, das mich hätte beunruhigen können. Jane läge sicherlich auf der Couch und war fest eingeschlafen.
In mir war doch eine gewisse Spannung
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