1316 - Die Kalydonische Jagd
Periode ihres Hier seins, und für Sri, die von der galaktischen Zeitrechnung nicht loskam, war es der 7. März 446. Während der gesamten zwei Perioden hatten sie ihr Quartier nicht verlassen, um auf ein Zeichen Alaskas zu warten. Und es kam. Bei Durchsicht des Veranstaltungskalenders waren sie auf die Ankündigung gestoßen, daß in Planquadrat 22/Ou/2203 sich jemand zum Thema „ESTARTU, Etustar und darüber hinaus" äußern wolle. Und dieser Jemand hatte den Namen Alaska Saedelaere.
Sie erreichten die 22. Etage in dem Moment, als der Beginn von Aldart verkündet wurde, in welchem Zeitabschnitt bedingungslose Rede- und Narrenfreiheit herrschte - zumindest in dieser Etage. Es gab hier keine geschlossenen Räume, die gesamte Etage bildete eine einzige Halle mit einem Durchmesser von zweitausend Metern, deren Einheit nur durch die Säulen mit den Transport-, Versorgungs- und Betriebssystemen unterbrochen wurde.
Raffinierte Lasereffekte unterteilten das Gelände in verschiedene Landschaften, die die Vortragenden nach ihrem Gutdünken verändern konnten. Die Decke diente als Projektionsfläche für die holographische Darstellung der Mächtigkeitsballung ESTARTU und vermittelte den Eindruck von kosmischer Weite.
Aldart war kaum ausgerufen, da begann auch schon das verrückte Treiben, das Sri an einen terranischen Karneval erinnerte. Es gab Hunderte von Vortragenden und tausende Schaulustige, von denen die weitaus meisten aus den Auffanglagern in den Zacken der Sternplattform kamen. Zu Aldart gehörte Llango Moja auch jenen, die die Qualifikation für die Kalydonische Jagd nicht geschafft hatten, oder die nie den Funken einer Chance besessen hatten, daran teilzunehmen. Jeder, dem es gelungen war, seinen Fuß auf Llango Moja zu setzen, durfte nun seine Meinung äußern oder sich die Meinung der anderen Mitteilungsbedürftigen anhören und ihre Darbietungen bestaunen.
Sri und Veth nahmen sich einen der psionischen Wegweiser, der sie zu Planquadrat Ou/2203 lotsen sollte; ohne diese Hilfe hätten sie sich in diesem Karnevalstreiben nie zurechtgefunden.
Sri stellte fest, daß die meisten der Vortragenden sich über Qualifikationsregeln beschwerten; sie forderten eine Reformierung des Modus, nach dem das Ausleseprinzip erfolgte: nicht Protektion sollte ausschlaggebend sein, sondern die Kampfkraft und die Kodextreue. Das waren die Erfolglosen. Jene, die die Qualifikation geschafft hatten, gefielen sich zumeist darin, ihre Kampfkraft zur Schau zu stellen, ihren Zuschauern mit holografischer Unterstützung vorzuführen, auf welche Art und Weise sie den Crabuss, und Oghauer oder das Cott stellen und erlegen wollten. Manche von ihnen bewiesen dabei großen Einfallsreichtum, doch auch für sie hatte Veth nur ein mitleidiges Lächeln übrig.
Einmal verharrten sie jedoch für länger, denn ein Pterus hatte eine wirklich sehenswerte Vorführung zu bieten. In einer Art Pantomime stellte er durch seine Person die Entwicklungsgeschichte seines Volkes dar. Er besaß eine solche Körperbeherrschung, die geradezu an metamorphische Fähigkeiten grenzte, daß Sri sich von der Darbietung einfach nicht losreißen konnte. Dieser Pterus zog auch die weitaus meisten Zuschauer an, obwohl diese vermutlich gar nicht mitbekamen, welche tiefergehende Aussage hinter dieser Pantomime steckte. Sie konnten es nicht wissen, weil ihnen die Zusammenhänge zwischen den herkömmlichen Pterus, den Ewigen Kriegern, den Animateuren und einem Sotho nicht bekannt waren.
Der Pterus bewegte sich zuerst echsenhaft auf allen vieren über den Boden. Erst allmählich verlängerte er seine oberen Extremitäten und richtete sich gleichzeitig langsam auf die Hinterbeine auf, während er gleichzeitig seinen knorpeligen Schwanz zu einem verlängerten Steißbein verkümmern ließ, bis er in seiner wahren Gestalt vor seinen Zuschauern stand. Er nahm nun eine noch aufrechtere, geradezu steife Haltung an - unverkennbar Kriegerpose - und legte sich gleichzeitig einen aufreizend stolzierenden Gang zu, wie sie nur Ewigen Kriegern zu eigen war ... Aber gewiß hatte kaum einer seiner Zuschauer je einen Ewigen Krieger in Persona zu sehen bekommen.
Noch weniger konnten die Schaulustigen damit anfangen, daß der Pterus auf einmal Kampfgestalt annahm. Seine Kiefer schnellten nach vorne, ein Raubtiergebiß wuchs ihm, seine Hände wurden zu klauenbewehrten Reißwerkzeugen, er reckte das Gesäß, winkelte Arme und Beine extrem ab, war sprungbereit, er ließ die Arme wie Bohrwerkzeuge
Weitere Kostenlose Bücher