1320 - Wolfsmond
dich und flieh!«
»Nein.«
»Was willst du denn?«
»Du weißt es. Ich werde dich nicht weiter darüber aufklären, aber du musst auch einsehen, dass du ein Hindernis auf meinem Weg bist.«
»Ach, du willst mich erschießen?«
»Nein, ich bin keine Mörderin.«
»Wie schön«, flüsterte Betty. »Soll ich mich jetzt darüber freuen, Glenda?«
»Jeder freut sich doch, wenn er noch leben darf.« Sie zog die Mündung der Waffe zurück und rutschte auf ihren Knien etwas zur Seite. Dabei ließ sie Betty nicht aus den Augen. Umgekehrt war es ebenfalls der Fall. Glenda traute der Frau nicht. Sie war keine Person, die so schnell aufgab, und sie würde sich wahrscheinlich mit einem Plan beschäftigten, der schon längst in ihrem Hirn entstanden war.
Glenda hatte sich nicht getäuscht. Um zu schreien, musste Betty den Mund aufreißen. Das tat sie, aber der Schrei drang nicht mehr hervor, denn Glenda reagierte schneller.
Sie hatte ja damit gerechnet. Nur ein knappes Röcheln drang noch aus dem Mund, dann traf der Schlag mit der Waffe Betty an der rechten Stirnseite.
Glenda Perkins war keine Person, die viel Übung mit einer Pistole als Schlagwaffe besaß. Sie wusste nicht, ob sie zu hart oder zu weich zugeschlagen hatte und musste die nächsten Sekunden abwarten.
Bettys Körper zuckte. Dabei verzerrte sich das Gesicht, und aus dem Mund drang ein weiterer Laut. Das leise Seufzen war nur für Glenda zu hören. Verraten würde es nichts.
Sie schloss für einen Moment die Augen und schwitzte wie noch vor kurzem in der Sauna.
Glenda blieb knien, als sie sich umdrehte und den Gang zurückschaute. Ein knappes Lächeln huschte über ihre Lippen. Sie war sehr zufrieden mit dem, was sie sah, denn keine ihrer Saunakolleginnen erschien, um nachzusehen, was hier abgelaufen war. Sie blieben zunächst verschwunden, und Glenda atmete auf.
Dann kümmerte sie sich um Betty. Die Frau lag auf dem Rücken.
Sie sah aus wie tot, doch sie war es nicht. Glenda bemerkte die leichten Atemzüge. Es war nicht gut, sie hier im Gang liegen zu lassen. Betty musste weggeschafft werden. Als Ziel kam für Glenda eigentlich nur der Saunaraum in Frage, der allmählich abkühlte, weil keine neuen Güsse mehr den entsprechenden Dampf erzeugten.
Es war ein kurzer Weg dorthin. Glenda steckte die Waffe weg und hob Betty so gut wie möglich an. Dann schleifte sie die ältere Frau dorthin, wo sie die große Angst erlebt hatte.
Es war fast schon kalt geworden im Gegensatz zu den Temperaturen, die Glenda erlebt hatte. In der Sauna atmete sie tief durch.
Erst jetzt, wo etwas Ruhe eingekehrt und die große Spannung verschwunden war, reagierte ihr Körper. So leicht nahm sie das nicht hin. Sie war es nicht gewohnt, so zu handeln. Zwar hatte Glenda schon in den schlimmsten und lebensgefährlichsten Situationen gesteckt, doch das gehörte nicht zur Regel. Das war anders als bei John Sinclair oder Suko.
Für sie war das neu. Sie würde sich so leicht nicht daran gewöhnen können.
Glenda schaute sich die Waffe genauer an. Es war eine Pistole der Marke Luger. Auch im Umgang mit Waffen war Glenda kein Neuling. Sie wusste, wie man mit einer Pistole umging. Das gehörte zwar nicht zu ihrem normalen Leben, aber abschrecken ließ sie sich von einer Pistole nicht.
Wie weit kam sie damit?
Glenda wusste es nicht. Auf Menschen zu schießen, war sicherlich nicht ihr Ding, und sie hoffte sehr stark, es nicht tun zu müssen.
Deshalb war es besser, wenn sie sich zurückhielt und darauf wartete, dass John Sinclair eintraf. Zudem hoffte sie, dass er nicht allein kam und Suko mitbrachte.
Betty lag auf einer Saunabank, die Arme auf dem Körper drapiert. Sie zeigte keinerlei Anzeichen auf ein Erwachen. Wie lange ihr Zustand andauern würde, konnte Glenda nicht sagen. Überhaupt hatte sie das Gefühl für Zeit verloren. Sie wusste zwar, dass sie John Sinclair angerufen hatte, wie lange das allerdings zurücklag, konnte sie nicht sagen, weil sie nicht auf die Uhr geschaut hatte.
Wie ging es jetzt weiter?
Darüber machte sie sich ihre Gedanken. Betty hatte ihr den guten Rat gegeben, die Sauna fluchtartig zu verlassen. Das hätte sie tun können, doch sie wollte es nicht. John befand sich bestimmt auf dem Weg. So lange musste sie noch ausharren.
Oder anrufen?
Ja, im Moment war das eine gute Idee. Der Geisterjäger schaltete sein Handy zwar hin und wieder aus, in Situationen wie dieser würde er es jedoch eingeschaltet lassen. So gut kannte sie ihn. Und sie hatte ihm auch
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