1325 - Der Tod eines Kriegers
Völker der Milchstraße mit ansehen müssen, wie ein Projekt nach dem anderen durchgezogen wurde - allesamt Vorhaben, die sich mit den Mitteln der galaktischen Technologie nicht hätten verwirklichen lassen. Wen wundert es da, daß sich Mutlosigkeit in die Herzen der Galaktiker schlich? Daß sie tatenlos zusahen, wie der Sotho Stein um Stein das Grabmal ihrer Freiheit errichtete?
Nicht alle waren es allerdings, die sich der stummen Verzweiflung hingaben. Hier und da regte sich der Widerstand. Besonders die Group Organic Independence, besser unter ihrem Akronym GOI bekannt, machte in letzter Zeit von sich reden. Lange Zeit hatte sie sich darauf beschränkt, den Streitkräften des Sothos Nadelstiche zu versetzen. Nachtund-Nebel-Einsätze waren das gewesen, bei denen hier ein Raumfort der Jägerbrigade vernichtet, dort das Schiff. eines Inspektors lahmgeschossen wurde. Erst in jüngster Zeit hatte die GOI den Mut und die Mittel zu größeren Unternehmungen gefunden.
Eines davon war das „Unternehmen Möbius".
Und ein wichtiger Bestandteil des Unternehmens Möbius war Sid Avarit, der Paratensor.
Er hörte ein Summen.
Das war das Signal!
Von jetzt an blieben ihm noch dreißig Sekunden bis zu dem Augenblick, in dem er zu beweisen hatte, daß der härteste Schlag, der bisher gegen den Sotho geführt worden war, tatsächlich geführt werden konnte. „Ich wollte, ich hätte ein wenig mehr Zutrauen zu diesem Experiment", klagte Notkus Kantor.
Der junge Mann mit dem hageren Gesicht und dem glattgekämmten braunen Haar, von dem ihm eine Strähne stets in die Stirn hing, betrachtete mit grämlicher Miene die synoptische Datenanzeige, die ihm in Form von Diagrammen und Korrelationswerten den Überblick über mehrere Dutzend kritischer Meßwerte ermöglichte. „Was stört dich?" fragte Enza Mansoor, die an ihrerri wenige Meter entfernten Arbeitsplatz eine ähnliche Videodarstellung vor sich hatte.
Enza war knapp einen halben Kopf kleiner als Notkus Kantor. Ihr schlanker Körper wies nur eine Andeutung weiblicher Formen auf. Mit ihrer kurzen, struwweligen Frisur vermittelte sie den Eindruck eines Mädchens, das sich eben erst in der Welt der Erwachsenen umzusehen beginnt. Der stets ein wenig verwunderte Ausdruck der großen braunen Augen paßte gut zu diesem Bild.
Besonders alt war allerdings weder Notkus noch Enza. Enza war im Jahr 422 auf Terra geboren und somit 24 Jahre alt. Notkus spielte gelegentlich auf seine höhere Reife an, weil er „ganze zwei Jahre älter" war. Trotz ihrer Jugend galten die beiden Menschen als erstklassiges Wissenschaftler-Team. „Das geniale Paar" nannte man sie an Bord der BASIS. Bemerkenswert war dabei, daß sie in der Tat nur als Team jene Leistungen erbrachten, die ihre Fachkollegen in Erstaunen versetzten. Allein für sich war jeder ein passabler Wissenschaftler, der es schwer gehabt hätte, sich einen Platz in der Science Hall of Fame zu ergattern.
Synergie nannte man die auf Enza und Notkus zu gleichen Portionen verteilte Fähigkeit, einander zu ergänzen und zu katalysieren. Es stand noch nicht fest, ob Synergie - so deutlich, wie sie sich in diesem Falle manifestierte - eine Laune der Natur oder eine echte paranormale Begabung war.
Gegen die letztere Annahme schien zu sprechen, daß Notkus und Enza zwar auf wissenschaftlichem Gebiet koryphäale Fähigkeiten zeigten, im Privatleben dagegen einander ständig in den Haaren lagen. Sie waren ein Liebespaar, daran gab es keinen Zweifel. Aber niemand, der sie während des unwissenschaftlichen Alltags beobachtete, wäre auf den Gedanken gekommen, daß es zwischen den beiden auch nur ein Quentchen von Zuneigung gebe. „Was mich stört?" wiederholte Notkus Enzas Frage. „Der Mensch stört mich."
„Der Mensch im Gegensatz zu ..."
„Im Gegensatz zu einem vollsynchronisierten syntronischen Schalter, auf den man sich verlassen kann."
„Du argumentierst wie ein Zehnjähriger", warf Enza ihm vor. „Erstens ist Sid Avarit kein Mensch im Sinn der klassischen Taxonomie, sondern ein Anti. Und zweitens bezichtigst du ihn ohne jede Veranlassung der Unzuverlässigkeit."
„Ich danke für die Belehrung", spottete Notkus. „Ohne dem Nichtmenschen Sid Avarit nahetreten zu wollen, wiederhole ich mit Inbrunst, daß mir ein syntronischer Schalter um eine Größenordnung lieber wäre als ein Paratensor."
„Eine rein akademische Überlegung", erwiderte Enza kühl. „Ein synchronisierter Schalter mit der erforderlichen Genauigkeit übersteigt im
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