1339 - Der Blutengel
stehen. Es gab auf dem Rücken weder einen Sattel noch eine Decke.
Beides brauchte der Blutengel nicht. Er schwang sich mit einem Sprung auf den Rücken des Pferdes und hieb seine Füße in die Flanken. Mehr brauchte er nicht zu tun. Sein Tier verstand ihn und bewegte sich.
Der Blutengel war zufrieden, denn er befand sich auf dem Weg, um den Schwarzen Tod zu stellen…
***
Lange war er geritten, sehr lange, ohne dass sein Tier Müdigkeit zeigte. Er hatte die raue karstige Gegend verlassen, war aber nicht in die Orte geritten, in denen Menschen lebten. Er hatte diese Grenzstationen gemieden und sich wieder einem anderen Landstrich zugewandt, der so etwas wie die Heimat des Schwarzen Tods war.
Eine verfluchte Zone, ein verfluchtes Gebiet, in dem es alles gab.
Von den Bergen, über Wüsten, bis hin zu dichten, feuchten und immer nebligen Wäldern, die als perfekte Verstecke für die Wesen dienten, die nicht gesehen werden wollten.
Menschen trauten sich nicht dorthin. Und wer es dennoch tat, wurde zumeist Beute dieser grausamen Kreaturen, die immer wieder auf ihre Opfer lauerten.
In diesem großen unübersichtlichen Areal war nicht nur der Schwarze Tod zu Hause, hier hatte auch Myxin, der Magier, mit seinen schwarzen Vampiren gehaust. Ob noch welche übrig geblieben oder ob alle zerstört waren, wusste der Blutengel nicht. Aber er kannte den Schwarzen Tod. Zumeist machte er mit seinen Feinden kurzen Prozess, und da holte er sich alle, die es zu holen gab.
Der Wald wuchs in tiefen Canyons, aber auch auf den Höhen.
Hin und wieder schauten spitze Felsen aus der Masse hervor wie Landeplätze für die mächtigen Vögel, die immer wieder aus dem Dickicht hochstiegen und manchmal eine noch lebende, zappelnde Beute in ihren Schnäbeln trugen.
Der Blutengel hatte einen für ihn günstigen Platz gewählt. Er war nicht in die Tiefe einer Schlucht geritten, sondern hatte sich auf den Höhen gehalten und vor allen Dingen den düsteren Himmel beobachtet. Er kannte die Machenschaften des Schwarzen Tods. Er wusste, wer seine Beschützer waren, die er immer wieder losschickte, um seine Feinde zu vernichten.
Es waren die fliegenden Skelette. Bewaffnet mit Speeren hockten sie auf ihren drachenähnlichen Vögeln mit den langen, spitzen Schnäbeln und jagten auf die Feinde zu.
Alle vernichteten sie, wenn der Schwarze Tod es wollte. So hatten sie auch die Vampire des Magiers geschafft, aber der Blutengel würde sich nicht so leicht töten lassen. Er war gekommen, um auf sie zu warten und wollte dem Schwarzen Tod eine Niederlage zufügen.
Jetzt wartete er.
Sein Pferd stand starr, und ebenso reglos saß er auf dem Rücken.
Er hatte sich dazu eine sehr hohe Stelle ausgesucht und wirkte in seiner unbeweglichen Haltung wie ein Denkmal.
Die Boten des Schwarzen Tods hatte er bisher noch nicht gesehen. Sein Kommen würde schon bemerkt worden sein, denn der Himmel war nicht frei. Unter ihm kreisten die anderen Vögel wie Aufklärer, und sie würden dem Schwarzen Tod längst Bescheid gegeben haben.
Der Blutengel hatte Zeit, viel Zeit. Von seinem Platz aus war es ihm möglich, über den Rand hinweg in die Tiefe zu schauen, die gar nicht so tief aussah. Einen Grund erkannte er nicht. Das lag weder an der Tiefe noch an der grauen Dunkelheit, denn in dieser breiten Schlucht wuchsen die Bäume sehr hoch und breiteten sich durch ihre mächtigen Kronen aus, sodass sie wie eine Masse wirkten, die jegliche Tiefe vermissen ließen.
Es gab überall Bewegungen. Man musste nur lange genug hinsehen. Auch Geräusche drangen aus dem Dickicht. Mal hörten sie sich an wie Schreie, dann wie Gelächter. Hinzu kamen das Flattern und Rascheln, das ihm ebenfalls nicht verborgen blieb.
Aber der Blutengel hörte keine menschlichen Stimmen. Dieser Teil in Atlantis war für Menschen ungeeignet.
Die Zeit rann dahin, aber darauf achtete er nicht. Er konnte warten. Er war sehr geduldig, und er wusste, dass der Schwarze Tod einfach kommen musste, denn er war in dessen Gebiet eingedrungen.
Etwas passierte, auch wenn es nicht gravierend war. Die am Himmel kreisenden Vögel zogen sich zurück. Sie verschwanden im Dickicht der Gewächse, als hätten sie ihre Pflicht getan.
Der Blutengel sah diese Vorgänge und wusste sie sehr wohl zu deuten. Irgendwo in der undurchdringlichen Tiefe war es zu einer Veränderung gekommen, und sie würde sich auch bei ihm sehr bald bemerkbar machen.
Der Blutengel und auch sein Pferd veränderten ihre Haltung nicht. Nach wie vor
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