1339 - Der Blutengel
stehen und pfiff es heran. Das Tier trottete näher, es wollte gestreichelt werden, und es wurde auch gestreichelt.
In der nahen Umgebung des Blutengels sah es aus wie auf einem Schlachtfeld.
Überall verteilten sich die Knochen der zerstückelten Skelette. Sie lagen zwischen den Kadavern ihrer Reittiere, von denen sich keines mehr bewegte. Nicht mal ein Zucken war zu sehen. Das Schwert des Blutengels hatte ganze Arbeit geleistet.
Er war zufrieden. Fürs Erste. Die Diener des Schwarzen Tods hatte er geschafft. Jetzt allerdings kam es darauf an, ihn selbst zu vernichten.
Ein Wutstoß durchfuhr den Blutengel, als er an den Schwarzen Tod dachte. Er riss seine Arme mit der Waffe hoch und brüllte all seine Wut hinaus. Es war zudem auch ein Kampfschrei. Er wollte den Schwarzen Tod locken. Er wollte ihm zeigen, wer der Sieger war, und wollte dafür sorgen, dass er sich ihm stellte.
»Ich will den Kampf!«, brüllte er in die Düsternis hinein. »Ich will ihn! Ich will der Sieger werden, verdammt! Hast du das gehört? Wenn ja, dann zeig dich!«
Sein Ruf verhallte. Ob er zuvor gehört worden war, wusste der Blutengel nicht. Niemand zeigte sich ihm. Er blieb allein auf weiter Flur.
Auch aus dem Dunkel des Dschungels stieg nichts mehr in die Höhe. Abgesehen von einigen Nebelwolken in der Ferne, die aussahen wie dünne Rauchschwaden.
Er kam nicht.
Der Blutengel wartete vergebens. Seine Umgebung schwieg. Es gab keine Zeichen des mächtigen Dämons, der es vorgezogen hatte, in Deckung zu bleiben.
Aber der Blutengel gab nicht auf. Noch einmal brüllte er seine Enttäuschung heraus. Es war zugleich so etwas wie eine erneute Kampfansage.
»Irgendwann kriege ich dich, Schwarzer Tod! Es muss nicht heute sein und nicht morgen, aber ich werde dich kriegen, verlass dich darauf…«
Er lachte und gab seinem Tier die Hacken. Und noch einmal wiederholte er Teile seines Versprechens.
»Irgendwann – irgendwann…«
***
Es gab in der Klinik einen schmalen Raum, in dem zwei Notbetten standen. Sie hatten Suko und mir ausgereicht, um den Rest der Nacht zu verbringen. In das zerstörte Kloster waren wir nicht wieder gegangen. Das würde erst bei Tageslicht geschehen.
Wenn mich jemand gefragt hätte, ob ich gut geschlafen hatte, hätte ich ihn ausgelacht. Nein, verdammt, ich hatte nicht gut geschlafen. Ich kam mir vor wie jemand, der überhaupt nicht geschlafen hatte. Was Suko und ich erlebt hatten, hatte Nervenkraft gekostet.
Die Seilschaft unserer Feinde hatte einen verdammt großen Sieg errungen, das mussten wir leider zugeben. Van Akkeren und Saladin, das teuflische Duo, hatten es geschafft, das Kloster teilweise zu zerstören. Es war für den Hypnotiseur einfach gewesen. Er hatte einen Kaufmann, der Fleisch und Gemüse für die Templer lieferte, mit Sprengstoff bestückt und ihn als einen Selbstmordkandidaten in das Kloster geschickt. Durch eine Fernzündung war der Mann in die Luft geflogen und hatte auch Teile des Klosters gesprengt. Tote Templer, fünf an der Zahl, hatten wir zu beklagen und einen Templerführer, der zwar überlebt hatte, nun aber verletzt in der Klinik lag. Auch auf ihn war ein Attentat verübt worden. Suko hatte ihn töten sollen, denn auch er war in den Bann des mächtigen Hypnotiseurs geraten. [1]
Im letzten Augenblick hatten wir diesen Mord verhindern können. Das war auch alles gewesen. Saladin und van Akkeren waren uns entkommen, und auch die Vampirin Justine Cavallo, die an unserer Seite gekämpft hatte, hatte sich aus dem Staub gemacht.
Zurückgeblieben waren Suko und ich. Noch war die Morgendämmerung nicht eingetreten, aber schlafen konnte keiner von uns.
Im schalen Licht der Lampe saßen wir auf unseren Bettkanten und schauten uns an.
Suko hatte sich verändert. Sein Blick war leer geworden. So sah nur jemand aus, der stark grübelte.
»Du denkst darüber nach?«
Er hob kurz den Blick. »Was für eine Frage, John. Die letzten Stunden über habe ich an nichts anderes gedacht. Auch wenn es für dich den Anschein gehabt haben sollte, aber eingeschlafen bin ich nicht. Dafür war der Druck der Erinnerung einfach zu stark. Du glaubst gar nicht, was mir alles durch den Kopf gegangen ist.«
»Ich kann dich verstehen.«
»Noch nicht mal das, was ich fast getan hätte, das konntest du ja noch verhindern, wie ich weiß. Ich musste immer daran denken, was geschehen wäre, wenn ich es wirklich geschafft hätte. An meinen anderen Zustand kann ich mich nicht erinnern, und die noch immer bei mir
Weitere Kostenlose Bücher