1343 - Manons Feuerhölle
Gedanken. In der rechten Manteltasche klimperten noch einige Münzen. Es musste reichen, um zu telefonieren.
Mit ihm wollte sie weg. Zumindest weg aus Soho. Und er sollte dorthin kommen, wo sie es für richtig hielt…
***
Bill hatte mich enttäuscht.
»Ich weiß nicht viel, John. Nicht mehr als ich dir gesagt habe. Diese Person soll übersinnliche Kräfte haben und Menschen durch sie heilen oder in eine bessere Position bringen können. Nur das hat mich aufmerksam gemacht. Dass so etwas dahinter stecken könnte, damit habe ich auch nicht rechnen können.«
»Klar, ich mache dir keinen Vorwurf.«
»Danke.«
»Aber ich muss etwas tun. Ich kann sie nicht allein lassen. Sie steht unter einem wahnsinnigen Druck.«
»Ist mir ebenfalls klar.« Ich hatte Bill bereits eingeweiht. »Kann ich dir helfen, John? Soll ich kommen? Rollen wir das Feld zu zweit von hinten auf?«
»Ich denke nicht, dass es etwas bringt. Ich muss mit ihr allein zurechtkommen.«
»Und sie finden.«
»Das auch«, gab ich zu. »Leider ist das Haus abgebrannt. Da können wir nichts machen.«
»Was ist mit einer Fahndung?«
»Viel zu kompliziert, Bill. Außerdem dauert es lange, bis sie angelaufen ist.«
»Dann wirst du wohl darauf warten müssen, dass sie ihre Zeichen setzt. Und damit läufst du wieder hinterher.«
»Ich rechne auch mit ihrer Einsicht.«
Bill lachte. »Wie kommst du denn darauf?«
Erst legte ich mein rechtes Bein hoch, dann das linke. »Ganz einfach, Alter. Sie weiß, dass ich das Kreuz trage. Und genau das ist auch für sie von entscheidender Bedeutung. Es ist die Brücke zu ihrem Schutzengel. Ich glaube fest daran, dass sie dies nicht vergessen wird. Ich habe gemerkt, wie es sie innerlich berührt hat, als sie mit dem Kreuz Kontakt aufgenommen hatte. Da ist die Brücke gebaut worden. Sie wird sie nicht vergessen. Sie hat meiner Ansicht nach zu sehr in Panik reagiert, aber das müsste vorbei sein. Ich denke nicht, dass sie mir noch mal weglaufen wird. Sie braucht einfach den Kontakt, um stark gegen die andere Kraft zu sein, die zusätzlich in ihr steckt. Um nichts anderes geht es ihr. Ich nehme an, dass sie in ihrem ersten Leben jemand war, für den sich der Teufel interessiert hat. Dann aber merkte Uriel, was ihm da von der anderen Seite her genommen werden sollte. So hat er sich um Manon Lacre gekümmert und sie unter seinen Schutz genommen. Sie hat damals den Tod durch Verbrennen erlitten, aber sie ist zurückgekehrt durch eine Wiedergeburt, und auch in ihrem neuen Körper existieren weiterhin die beiden Gegensätze. Es steht noch immer unentschieden, doch das will keine der beiden Seiten länger in Kauf nehmen.«
»Dann rechnest du damit, dass es die Nacht der Entscheidung sein wird – oder?«
»Punktgenau getroffen, Bill.«
»Dann wäre es besser, wenn wir zu zweit sind, falls sich noch etwas ereignet und unsere Freundin zum Nachdenken kommt.«
Ich konnte Bills Gedanken nachvollziehen und grinste vor mich hin. »Wann willst du kommen?«
»Ich bin schon auf dem Weg.«
»Dann schnall die Flügel an.«
»Worauf du dich verlassen kannst…« Nach dieser Antwort war die Leitung tot. Ich legte ebenfalls auf und griff zu meinem Glas, das ich mit Orangensaft gefüllt hatte, der mit Mineralwasser verdünnt worden war.
Jetzt hieß es warten. Ich hoffte, dass ich den richtigen Gedankengängen gefolgt war. Wenn ich alles betrachtete, waren sie für mich logisch, aber würde auch Manon so reagieren?
Ich hatte sie als eine zweiseitige Person erlebt. Aber eine Seite musste stärker werden, um die andere zu vernichten. Das wusste sie, doch es war die Frage, ob sie es auch allein schaffte und nicht auf den Gedanken kam, mich um Hilfe zu bitten.
Wenn sie darüber nachdachte, konnte es einfach keinen anderen Entschluss für sie geben.
Ich stand auf und durchwanderte mein Zimmer. Das Glas hielt ich in der Hand. Mit meinem Chef konnte ich erst wieder vernünftig reden, wenn der Besuch des amerikanischen Präsidenten vorbei war. Ab Morgen liefen die direkten Vorbereitungen der Sicherheitsmaßnahmen. Da waren Teile der Stadt dann ein einziges Verkehrshindernis.
Bill würde mir schon die Wartezeit verkürzen. Aber was passierte mit Manon? Wie kam sie allein zurecht? Was würde ihr auf der Flucht in die Stadt passieren?
Für mich war es so etwas wie eine Flucht. Möglicherweise auch eine vor sich selbst.
Ich wusste nichts, ich wollte mir auch nichts vorstellen, und auch das Kreuz gab mir keine Antwort. Normal temperiert hing
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