1343 - Manons Feuerhölle
nach dem ersten Schritt die Hitze, die in ihr hochstieg. Das Schicksal würde wieder zuschlagen. Sie konnte sich voll und ganz darauf verlassen.
Von zwei Seiten wurde sie gepackt!
Um beide Arme lagen die Finger wie harte Klammern. Mit normaler Kraft hätte sie sich daraus nicht befreien können, und so musste sie zu einem anderen Mittel greifen.
Sie ließ die Tüte fallen.
Als sie auf den Boden klatschte, fingen die Typen an zu lachen.
»Bei uns bekommst du etwas Besseres«, wurde ihr versprochen.
»Wir gehen jetzt nach draußen und zwei Häuser weiter. Da ist es gemütlicher. Da kommen wir wunderbar zusammen.«
Manon hörte alles, sie sah alles. Dennoch hatte sie den Eindruck, neben sich zu stehen. Die Realität hatte sich verändert. Sie war plötzlich irreal geworden. Man hätte auch sagen können, dass sie sich in einem anderen Film befand.
Die Realität war nah und dennoch weit weg.
Zugleich zogen die beiden Manon näher. Wüste Gesichter, fettige Haare, kalte Augen, Ketten aus kleinen Totenköpfen um die Hälse geschlungen. Bei diesen Hundesöhnen passten wirklich alle Vorurteile. Sie liebten die Gewalt.
»Dann eben nicht!«, flüsterte Manon.
»He, was meinst du?«
Sie sagte nichts mehr. Nun waren die Gesichter so nahe, dass sie in beide gleichzeitig hineinschauen konnte. Das tat sie auch, und sie wusste, dass sich auch bei ihr etwas veränderte.
Die Kraft ihres Schutzengels schoss in ihr hoch. Und damit auch das Feuer!
Dass es in ihren Augen loderte, wusste sie. Aber nur die beiden Typen sahen es, und es verschlug ihnen die Sprache. Plötzlich konnten sie nicht mehr reden, nur noch ächzen. Sie lockerten auch ihre Griffe. Es war für Manon ein Leichtes, sich zu befreien, doch nun war sie es, die zugriff.
Zwei Hände griffen nach den Hälsen und klammerten sich fest.
Zugleich huschten die ersten Flammen über die Finger der jungen Frau. Sie waren wie kleine Geister, die man entlassen hatte und die nicht mehr eingefangen werden konnten. Sie hatten sich verselbstständigt, aber sie kannten genau ihre Ziele.
Plötzlich tanzten sie über die Gesichter der Typen hinweg. Heiß, kochend, nach Beute suchend, die sie auch fanden.
Die Haut war kein Problem für sie. Erst recht nicht die langen Haare. Sie knisterten, sie stellten sich mit den Flammen hoch, als sie brannten.
Natürlich waren die Kerle nicht auf der Stelle stehen geblieben.
Die Schmerzen ließen sie nicht nur schreien, sie trieben sie auch von der Tür weg. Die Hände hatten sie gegen ihre Gesichter gepresst und auch in die Haare hineingedrückt.
Sie waren blind geworden. Sie wussten nicht mehr, wo sich die Tür befand. Wie aufgedreht torkelten sie durch die kleine Imbisshalle. Ihre Schreie waren schrecklich und drangen auch bis nach draußen, als Manon die Tür öffnete.
Sie ging einfach weg.
Bevor die Menschen auf dem Gehsteig richtig mitbekamen, was hinter der Tür passierte, war sie bereits nach rechts gegangen und hatte sich unter die Passanten gemischt.
Manon wusste nicht, ob man sie anschaute. Wenn ja, hätte man ihr rotes Gesicht gesehen. Das allerdings fiel inmitten dieser bunten Welt aus Reklamelichtern kaum auf.
Manon Lacre hatte gezeigt, wozu sie fähig war. Dass ihr jemand zur Seite stand. Dass sie sich durch das Feuer wehren konnte, aber sie fühlte sich nicht glücklich. So hatte die Nacht nicht beginnen sollen. Da hatte sie ganz andere Vorstellungen gehabt, und trotz ihres Sieges überkam sie plötzlich große Panik.
Den eigentlichen Plan musste sie vergessen. Sie würde nicht mehr so leben können wie sonst, denn in ihrem Innern spürte sie die beiden Zustände. Jeder hatte etwas mit dem Feuer zu tun. Jeder wollte sie für sich gewinnen, und es konnte nur einen Sieger geben.
Wer das war, darüber konnte sie nur raten, aber wenn keiner aufgab, war es möglich, dass sie zwischen die Mühlsteine geriet. Sie hatte sogar den Verdacht, dass die andere Seite – die Hölle also – die beiden Typen geschickt hatte.
Reichten Uriel und sie?
Manon wusste die Antwort nicht. Dafür jedoch drehten sich ihre Gedanken in eine andere Richtung.
Es gab jemand, zu dem sie Vertrauen gefasst hatte. Durch den sie überhaupt erst nahe an Uriel herangekommen war.
John Sinclair.
Sie wollte ihn wieder an ihrer Seite wissen. Er musste mit ihr fahren und an ihrer Seite bleiben. Er hatte das Kreuz. Sie hätte es ihm wegnehmen sollen, aber sie hatte plötzlich eine große Scheu davor gehabt.
Das Heulen von Polizeisirenen störte ihre
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