1343 - Manons Feuerhölle
unternehmen. Sie würde sich nicht ruhig verhalten. Das konnte sie nicht, denn es gab nicht nur Uriel, ihren Schutzengel, sondern noch eine andere Seite in ihr. So konnte sie nicht weiterexistieren. Es musste eine Entscheidung darüber getroffen werden, wer bei ihr die Oberhand gewann.
Das bedeutete Kampf!
Einmal die Seite der Engel. Auf der anderen Seite die Hölle. Davon ging ich mal aus. Sie wollte Manon behalten und Uriel keinen Triumph gönnen.
Aber wie leicht konnte Manon dabei zwischen die Fronten geraten und alles verlieren.
Es gab keine andere Lösung. Ich musste mich einmischen. Doch dazu musste ich wissen, wo ich sie suchen sollte. Ich wusste ja praktisch nichts von ihr. Das Haus, in dem sie gewohnt und aus dem wir sie befreit hatten, war abgebrannt. So war sie gezwungen, sich eine andere Bleibe zu suchen. Wo hätte sie hingehen können?
Ich stand auf dem Schlauch, weil ich einfach zu wenig über Manon Lacre wusste.
Und wer wusste mehr über sie?
Wahrscheinlich mein Freund Bill Conolly. So konnte ich nur hoffen, dass er mir aus der Klemme half…
***
Manon Lacre irrte durch die Straßen. Die herbstliche Dunkelheit lag über der Stadt. Die Helligkeit, die es jetzt gab, bestand aus künstlichen Lichtern, denn nicht ein Sonnenstrahl fiel aus dem dunklen und mit Wolken bedeckten Himmel.
Manon war zwar nicht fremd in der Stadt. Aber besonders gut kannte sie sich auch nicht aus. Und so lief sie zunächst einmal von den beiden hohen Häusern weg und sorgte dafür, dass sie von der Dunkelheit umschlossen wurde.
Wirre Gedanken durchtanzten ihren Kopf. Es war schwer für sie, Ordnung hineinzubringen. Sie hätte zufrieden sein können, aber das war sie nicht. Natürlich freute sich Manon darüber, Kontakt mit ihrem Schutzengel bekommen zu haben.
Uriel hieß er.
Und er war einfach wunderbar. Sie hatte ihn bei der Berührung des Buchstabens gespürt. Das war dann wie ein warmer Strom gewesen, der sie durchschossen hatte. Nicht so heiß wie Feuer. Eben anders, aber trotzdem wunderbar, sodass ihr die Angst genommen wurde.
Die kehrte jetzt wieder zurück. Manon war klar, dass es nicht nur den einen Mächtigen in ihr gab. Neben Uriel hatte sich noch ein zweiter Geist in ihr ausgebreitet. Von einer konkreten Person konnte sie nicht sprechen, so sah sie ihn einfach als einen Geist an, und der war mächtig gefährlich.
Sinclair hatte etwas von der Hölle gesagt. Die Hölle! Das Feuer!
Ebenfalls Feuer. Aber ein anderes. Man hatte ihr nachgesagt, dass sie als Hexe mit dem Teufel im Bund stand. Vielleicht war dem auch so gewesen. Möglicherweise hatte sie damals darauf gesetzt, nur konnte sie sich nicht mehr daran erinnern. Das war in einem anderen Leben gewesen. In ihrem ersten. Jetzt erlebte sie ein zweites, ein besseres, aber das alte war nicht vergessen. Sie hatte ihre Fähigkeiten genutzt und sich als eine Seherin niedergelassen, die im Feuer die Zukunft der Menschen sah. Es hätte alles ruhig weiterlaufen können, wäre nicht plötzlich die andere Macht in ihr hochgekommen, um sie zu verbrennen.
Und genau zu dem Zeitpunkt waren Sinclair und der Reporter zu ihr gekommen, um sie zu befragen. Die Gründe wusste sie noch immer nicht. Sie waren ihr auch jetzt egal. Doch der Besuch hatte etwas in Bewegung gesetzt, das sie bisher nicht hatte stoppen können. Ob sie es jemals schaffen würde, war die große Frage.
Aber sie würde mit sich ins Reine kommen, das schwor sie sich.
Es konnte nur eine Kraft in ihr geben, und das musste die ihres Schutzengels sein und nicht die der Hölle.
Sie war so in ihren Gedanken versunken gewesen, dass sie nicht darauf geachtet hatte, wohin sie gelaufen war. Nicht in die Dunkelheit, denn jetzt sah sie wieder die zahlreichen Lichter, die versuchten, die Nacht zum Tag zu machen.
Für einige Zeit war sie irritiert. Sie blieb an einer Kreuzung stehen, schaute auf den recht langsam fließenden Verkehr und kümmerte sich dann um die bunten Lichter, die sich in ihrer Umgebung verteilten.
Es waren die Reklamen zahlreicher Kneipen und Vergnügungsstätten, die sich wie eine Perlenschnur aneinander reihten.
Soho!
Jetzt wusste sie Bescheid. Ohne dass sie es sich bewusst geworden war, hatte sie das Londoner Vergnügungsviertel mit dem immer noch legendären Ruf erreicht, das von einem Jack the Ripper zu dieser Berühmtheit gelangt war.
Manon kannte sich hier nicht aus. Das war hier nicht ihre Welt.
Sie wollte raus. Die Einsamkeit war ihr lieber. Ihr gefielen die Menschen nicht, die
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