1349 - Chronik der Kartanin
Unheilvolles, so konnte nur ein fremdes Wesen heißen, das in ihr schlummern mochte und das nicht geweckt werden durfte.
Zum Glück gewannen diese Ängste nur ganz selten die Oberhand in Eirene. Es gab genug Möglichkeiten, sich abzulenken, aber als sie nun den Funkturm betrat, um eine Unterredung mit Mia-San zu erwirken, da machte sich diese Angst vor dem unbekannten Wesen in ihr wieder bemerkbar.
Eirene atmete auf, als die Wachkommandantin nach kurzer Abwesenheit zurückkam und ihr sagte, daß die Protektorin sie empfangen würde.
Mia-San erwartete sie im Wachraum, der außer einigen Pritschen und einem großen, langgestreckten Tisch keine Einrichtung enthielt. Die Protektorin wirkte müde und abgespannt, und sie machte den Eindruck, daß ihr die Probleme längst über den Kopf gewachsen waren. „Die NARGA PUUR gibt mehr Rätsel auf als Antworten, Eirene", sagte sie zur Begrüßung, und das war die Wahrheit, denn die Ungewißheit sprach aus Mia-Sans Gesicht.
Sie tat Eirene fast leid, denn sie war die Protektorin eines Projekts, dessen wahre Ziele sie nicht kannte.
Offiziell diente das Lao-Sinh-Projekt dem Exodus der Kartanin nach Estartu. Aber so konnte es nicht wirklich sein, weil das Viersonnenreich keine ausreichende Basis für eine Vielzahl von Kolonisten war.
Eirene berichtete von ihren Beobachtungen beim letzten Netzgang und fügte hinzu: „Ich fürchte, daß die Rettungsaktion der Gänger des Netzes nicht rechtzeitig genug wirksam wird. Ihr könnt eure Position nicht aus eigener Kraft halten. Willst du warten, bis die letzte Esper stirbt und die Ephemeriden die Tränen N'jalas zur spontanen Deflagration bringen?"
„Das werden wir so lange wie möglich zu verhindern wissen."
„Aber warum willst du deine Esper opfern, Mia-San? Es wäre so einfach, die Gefahr abzuwenden ..."
„So einfach nun wieder auch nicht", fiel ihr die Protektorin ins Wort. „Ich kenne deinen Vorschlag, aber er ist undurchführbar. Du meinst, daß wir unser aller Leben retten könnten, indem wir den Paratau auf Schiffe verladen und auf die Reise schicken. Natürlich werden die Ephemeriden dem Köder folgen, und das Tarkanium wäre gerettet."
„Der KLOTZ, die NARGA PUUR, bietet sich für einen solchen Transport geradezu an!" rief Eirene. „Bao von Tarkan hat mich wissen lassen, daß die NARGA PUUR noch immer einen zu hohen Strangenesswert hat, als daß sich ihr jemand ungefährdet nähern könnte. Und umgekehrt ist es ebenso, niemand kann die NARGA PUUR verlassen, ohne psychischen und physischen Schaden zu erleiden." Mia-San gebot Eirene, die zum Sprechen ansetzte, durch eine Handbewegung Schweigen und fuhr fort: „Aber das ist eigentlich ohne Bedeutung. Wie du weißt, bin ich noch nicht übermäßig lange Protektorin im Tarkanium. Auch haben mich die Hohen Frauen nicht mit Hintergrundinformationen verwöhnt. Aber so viel weiß ich über das Lao-Sinh-Projekt, daß es nicht auf die daran beteiligten Leute ankommt, sondern daß es einzig darum geht, die Tränen N'jalas zu schützen. Und darum werden wir bis zur letzten Esper ausharren."
Mia-San erhob sich, für sie war die Unterhaltung beendet. „Und fragst du nicht nach dem Sinn des Unternehmens, Mia-San?" rief Eirene verzweifelt. „Gehorchst du blind allen Befehlen, wie unsinnig sie auch sein mögen? Ihr könnt die Tränen N'jalas nicht schützen, die Ephemeriden werden sie zur spontanen Deflagration bringen - wenn nicht ein Wunder geschieht!
Warum wollt ihr dann nicht wenigstens euch retten?"
„Wir werden bis zuletzt auf ein Wunder warten", sagte Mia-San. Sie machte mit den Armen eine alles umfassende Bewegung. „Die Tränen N'jalas haben Priorität. Wenn wir sie nicht schützen können, dann haben wir es auch mcht verdient, weiterleben zu dürfen. Und noch etwas. Wenn die Tränen N'jalas in einer spontanen Deflagration vergehen, dann soll es hier, im Tarkanium geschehen. Und nirgendwo sonst!"
„Das klingt fast, als stecke Methode dahinter", sagte Eirene sarkastisch. „Als würdet ihr euch nach kollektivem Selbstmord sehnen. Haben dich Bao at Tarkans Einflüsterungen dazu gebracht, Mia-San?"
Die Protektorin schüttelte nur den Kopf, dabei legte sie sich die Handfläche auf die Stirn. „Baos Reden sind mir größtenteils unverständlich", sagte sie dann. „Er verlangt von uns exakte Sternkarten über diese Galaxiengruppe, ja über den gesamten kosmischen Abschnitt bis hin nach Ardustaar, unserer Wahlheimat. Er zeigt sich überaus verwundert darüber, daß wir
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