1358 - Der Vampirpakt
sie durch das Gelände, das zum Bereich des Militärs gehörte. Justine wusste genau, wo sie bleiben würden, und sie wollte den Ort unbedingt vor Tagesanbruch erreichen.
Mit einem schnelleren Wagen wäre das kein Problem gewesen, aber der Mini hatte seine Grenzen, was sie schon ärgerte. Die Städte rechts und links des Geländes ließ sie außer Acht. Für sie war es wichtig, in Richtung Norden zu kommen, und da fuhr sie auch hin, denn sie hatte bereits eine Straße außerhalb der militärischen Zone erreicht. Der erste Ort, der auftauchen würde, hieß Biskey. Wenige Kilometer später würde sie Donkey Town sehen, aber bis dort wollte sie nicht fahren. Zwischen beiden Ortschaften gab es ein leicht hügeliges Gelände, das von einem breiten Bach durchflossen wurde. Und genau dort kannte sie ein recht gutes Versteck.
Van Akkeren, der neben ihr saß, ließ alles geschehen. Er hatte sich dem Fatalismus hingegeben. Manchmal glotzte er in die Dunkelheit hinein, dann wieder schaute er gegen seine Knie, auf die er die mageren Hände mit den langen Fingern gelegt hatte. Ab und zu drang ein trockenes Husten aus seinem Mund. Er zog auch hin und wieder die Lippen zurück und prüfte mit den Fingerkuppen nach, ob seine beiden neuen Vampirhauer noch vorhanden waren.
»Keine Sorge, sie sind da«, sagte die Cavallo, »und sie werden auch bleiben.«
»Ich will Blut!«
»Das bekommst du.« Die blonde Bestie lachte etwas hämisch. »Ich weiß, wie dir zumute ist. Wie du innerlich brennst. Wie alles danach giert, an den Saft zu gelangen, aber du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Du wirst mehr Blut bekommen als du trinken kannst.«
»Und wann?«
»In der nächsten Nacht, denke ich. Dann haben wir unser Ziel erreicht.«
Van Akkeren wurde hellhörig. Zum ersten Mal war dieser Begriff gefallen. »Ziel? Wo soll das sein?«
Wieder zeigte Justine ein spöttisches Lächeln. »Du kennst es, mein Freund. Du kennst es sogar sehr gut.«
»Soll ich lachen?«
»Ist mir egal.«
»Dann kläre mich auf.«
Justine gab die Antwort, ohne das Tempo herabzusetzen. Sie schaute nach vorn auf die Fahrbahn, über die der Lichtkegel der Scheinwerfer schwamm. »Kennst du das alte Herrenhaus von Ascot?«
»Nein.«
»Ich aber.«
Van Akkeren schüttelte wütend den Kopf. »Verdammt noch mal, was soll dort sein?«
»Blut, mein Freund. Viel Blut. Du darfst dich auf den Einbruch der nächsten Dunkelheit freuen, denn dann werden wir unser Ziel erreicht haben. Mehr sage ich nicht.«
Daran hielt sich die blonde Bestie auch. Da konnte van Akkeren fragen was er wollte. Er bekam keine Antwort.
Zunächst war es für beide wichtig, das Versteck aufzusuchen. Justine suchte immer wieder den Himmel am Osten ab, denn dort ging die Sonne auf. Es war längst nicht mehr so lange dunkel wie im Winter, sie würde bald die ersten grauen Streifen sehen können, und dann konnte es sein, dass der Himmel plötzlich explodierte, wenn die Sonne hervorkam, die mehr als schon eine sehr starke Kraft aufwies, auch wenn es von den Temperaturen her noch Winter war.
Das Versteck lag am breiten Bach. Eine einfache Holzhütte, in der früher vielleicht mal Fischer gehaust hatten. Jetzt stand sie leer und konnte bei starkem Regen als Unterstand dienen.
Als Justine von der Straße abbog, schreckte van Akkeren wieder hoch. In den letzten Minuten hatte er apathisch in seinem Sitz gelegen. Selbst in der Dunkelheit des Wagens sah er blass und verfallen aus. Es ging ihm nicht besonders.
»Wo sind wir?«
»Bald da.«
»Ich will Blut.«
»Du bekommst es.«
»Ich fühle mich immer schwächer.«
»Das geht vorbei.«
Justine Cavallo wusste, dass die letzte Antwort nicht gelogen war.
Zwar sah noch keiner von ihnen den Anbruch des neuen Tages, aber einer wie van Akkeren, der erst seit kurzem ein Blutsauger war, spürte ihn bereits. Der steckte schon in seinen Knochen und sorgte eben für diese Schwäche.
Der Bach war zu sehen. Ein grauweißes, vor sich hin fließendes Band. Träge und an den Ufern dicht bewachsen. Die Sträucher hatten noch keine Blätter bekommen, sondern nur Knospen.
Der schmale Weg, mehr eine mit Grasbüscheln bewachsene Piste, führte parallel zum Bach entlang, manchmal mehr am Wasser, dann wieder weniger nahe. Das alles nahm der Grusel-Star nicht wahr.
Nach wie vor wirkte er wie ein Häufchen Elend. Er hatte die Schultern hochgezogen und den Kopf nach vorn gedrückt. Hin und wieder brabbelte er etwas vor sich hin und stöhnte halblaut auf.
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