1364 - Killer-Engel
Beine und einem Freudenschrei auf den Lippen schleuderte sie die Schuhe von den Füßen. Noch im Flur schlüpfte sie aus ihrem Kostüm, fuhr durch ihre rötlichen Haare und legte die drei Briefe zur Seite, die sie im Postkasten gefunden hatte. Sie wollte sie später lesen, wobei es wohl keinen Sinn machte, denn zwei von ihnen waren reine Reklame.
In Slip und BH betrat sie das Bad, das im Gegensatz zu vielen anderen ein Fenster hatte. Sie stellte es schräg, ließ Badezusatz in die Wanne tropfen und heißes Wasser hineinlaufen.
Normalerweise duschte sie. An einem Tag wie diesem allerdings konnte sie sich Zeit lassen, und da war ein längeres Bad im warmen Wasser genau das Richtige für sie.
Nicht nur das Bad zählte. Sie wollte noch einen kleinen Kick haben und trank dazu ein Glas Rotwein. In der Wanne zu liegen und den guten Tropfen zu genießen, war für sie der Gipfel der Genüsse.
Den Wein suchte sie sehr sorgfältig aus. Sie entschied sich für einen aus Kalifornien, dessen rubinrote Farbe ihr schon beim Betrachten das Wasser im Mund zusammenlaufen ließ.
Mit dem Weinglas in der Hand ging die Staatsanwältin durch die Wohnung und blieb vor dem breiten Fenster stehen, hinter dem der Balkon lag.
Da ihr kein Haus vorgebaut worden war, freute sich Purdy Prentiss jedes Mal über den tollen Blick über ihre Heimatstadt. Sie liebte London. Sie mochte das quirlige Leben, das Herausfinden neuer Trends, den schnellen Wechsel, den es hier gab, obwohl sie sich beruflich zumeist mit den negativen Seiten der Stadt auseinander setzen musste und dabei oft menschliche Abgründe präsentiert bekam, über die sie nur den Kopf schütteln konnte. Man musste in diesem Job schon verdammt stark sein, um seine Freude am Leben nicht zu verlieren.
Bevor Purdy Prentiss ins Bad ging, schenkte sie noch mal etwas Rotwein nach. Die Wanne war mittlerweile so weit voll gelaufen, wie sie es liebte. Der Schaum bildete auf der Oberfläche eine dicke, leicht knisternde Schicht, und durch die beiden Fensterspalten an den Seiten drang die abendliche Mailuft herein, die ihr zusätzlich Freude bereitete.
Das Glas mit dem Wein stellte sie auf einen Hocker neben der Wanne. Dann zog sie auch die letzten beiden Kleidungsstücke aus und stieg in das wohltemperierte Wasser.
»Ha, das tut gut…«
Der Satz war von ihr mit einem Stöhnen ausgesprochen worden, zum Zeichen, dass sie sich wohl fühlte.
Ihr Körper durchbrach den Schaum. Sie liebte die Wärme, und sie mochte die Ruhe. Um sie noch stärker genießen zu können, schloss Purdy die Augen. So gab sie sich voll und ganz dem guten Gefühl hin. Obwohl sie Kontakt mit dem Boden hatte, überkam sie der Eindruck, von Wasser und Schaum weggetragen zu werden.
Es war einfach herrlich, so wegzugleiten, und das Lächeln auf ihrem Gesicht blieb stehen.
Der Wein wartete. Sie nahm die ersten Schlucke. Danach griff sie zur Seife, rieb sich ein und freute sich über den Schaum, der ihren Körper bedeckte.
Er prickelte überall. Es tat ihr gut. Sie hatte das Gefühl, den Stress der vergangenen Woche in der Wanne zu lassen und wieder ein neuer Mensch zu werden.
Dieses Bad war die Flucht aus dem Alltag, und so sollte es auch in den nächsten Minuten bleiben.
Aus ihnen wurde eine Viertelstunde. Die wohlige Müdigkeit hielt sie fest und ließ sie die Augen schließen. Der Griff zum Weinglas geschah nur noch selten, aber die geschlossenen Augen blieben, und so glitt sie weiterhin in ihre träumerische Welt, in der sich alles so wunderbar auflöste.
So lange wie an diesem Tag hatte sie selten in der Wanne gelegen.
Irgendwann schreckte sie hoch, als hätte man sie aus einem tiefen Schlaf geholt.
Leicht verwirrt öffnete Purdy die Augen. Da nicht nur der Kopf aus dem Wasser schaute, sondern auch die Schultern, nahm sie dort die Gänsehaut war, die sich gebildet hatte.
Es war kühler geworden. Jetzt merkte sie auch die Luft, die durch die Fensterspalten strömte.
Ein Blick nach rechts auf das Weinglas auf dem Hocker. Es war noch zur Hälfte gefüllt. Sie wollte es auch nicht leer trinken, sondern aus der Wanne steigen und sich mit dem Wein in ihren Wohnraum zurückziehen. An ein großes Abendessen dachte sie nicht. Im Kühlschrank stand noch die Hälfte einer selbst hergestellten Pizza. Die wollte sie sich aufwärmen und wenig später essen. Der Wein als Getränk passte dazu.
Mit dem flauschigen Badetuch trocknete sie sich ab. Es fühlte sich so wunderbar weich auf ihrer Haut an.
Auf die normale Kleidung
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