1364 - Killer-Engel
schritten aufeinander zu, ohne dass wir uns erreichten. Wir konnten uns sehen, uns verständigen, aber nicht gegenseitig anfassen. Und so kam ich zu der Auffassung, dass nicht nur ich, sondern auch Suko in zwei verschiedenen Welten steckten.
Verdammt, das hatte ich noch nie erlebt!
Diese Erkenntnis trieb mir das Blut in den Kopf. Zumindest glaubte ich daran, dass dies auch so war, als ich die leichte Hitze spürte, aber so sehr ich mich auch anstrengte, mein Freund und Partner war nicht zu erreichen.
Belial, der Engel der Lügen!, geisterte es durch meinen Kopf. Dazu gehörte Belials Lügenwelt, und in der waren wir tatsächlich gefangen. Es gab sie. Sie war für uns vorhanden, aber es stellte sich zugleich die Frage, ob dies auch der Wirklichkeit entsprach und die Dimension nicht nur ein Lügengebäude war.
Suko musste die gleichen Empfindungen haben wie ich, denn auch er war stehen geblieben.
Gesprochen hatten wir bisher noch nicht miteinander, und das wollte ich ändern.
»Du kannst mich hören?«
Suko drehte mir sein Gesicht zu. »Nicht nur das, John. Ich kann dich auch sehen.«
»Und trotzdem können wir uns nicht die Hand reichen«, sagte ich.
»Sieht ganz so aus.«
»Hast du eine Erklärung?«
»Belial.«
Suko nickte. »Ja, wer sonst? Aber ich denke, dass wir es nicht hinnehmen sollten. Wir müssen es ändern.«
»Einverstanden. Fang an.«
Er lachte nur und drehte sich von mir weg. Seine Handlung konnte ich nachvollziehen, denn ich tat das Gleiche. Wir wollten uns in der Umgebung umschauen. So eine Reaktion war uns in Fleisch und Blut übergegangen, und man konnte es auch mit einer Suche nach einem Ausweg bezeichnen. Ob wir uns als Gefangene in einem Burgverlies befanden oder in einer fremden Dimension, die Handlungen blieben irgendwie gleich.
Was war zu sehen?
Sehr wenig, da war ich ehrlich. Eine weite Welt, aber keine unbedingt klare. Es waren zwar Trennungen zu erkennen, aber wir sahen auch einen Dunstschleier, nicht sehr dick, aber kein Nebel. Und dieser Schleier zog sich durch die gesamte Welt oder Sphäre, die uns umgab. Es gab keinen Wind, der ihn hätte zerreißen können, er war einfach vorhanden, und das auch über unseren Köpfen, wo wir einen Himmel sahen, den es in dieser Lügenwelt ebenfalls gab.
In der Regel gibt es eine scharfe Trennung zwischen dem Himmel und dem Erdboden. Sie war nicht mehr erkennbar, wenn der Nebel eine dichte Suppe bildete.
Damit brauchten wir hier nicht zu rechnen, denn bei uns gab es nur den Dunst. Er lag als Schicht zwischen den beiden unterschiedlichen Ebenen, wobei der Himmel ein flaches Wolkengebilde zeigte, als hätte jemand große und wuchtige Wolken platt gedrückt.
Dem Himmel folgte die schwache Dunstschicht, und wir standen auf einem festen Untergrund, der in seiner Farbe dunkler war als die Dunstschicht und auch als der Himmel.
Es gab nur ihn.
Lang, breit, tief und sehr flach. Da erhoben sich keine Hügel, da gab es keine Vertiefungen oder Mulden, sondern nur diesen normalen Boden, der uns hielt.
Keine Hindernisse.
Und doch würde es uns nicht gelingen, aufeinander zuzugehen.
Genau das war es, was mich ärgerte. Ich spürte die Wut in mir hochsteigen, ich sah auch keinen Gegner in der Nähe. Eine Gefahr schien es in dieser dunstigen Leere nicht zu geben, und trotzdem misstraute ich dieser Sicherheit.
Ich hörte meinen Freund lachen und dann sagen: »Fast hätte ich vorgeschlagen, dass wir uns auf den Weg machen. Aber ich frage dich, wohin sollen wir gehen?«
»Keine Ahnung.«
»Gibt es diese Welt überhaupt, John?«
»Warum fragst du?«
»Weil ich mir vorstellen können, dass sie eine Lüge ist und wir in dieser Lüge gefangen sind und dabei so etwas wie einen Mittelpunkt bilden.«
Was Suko da sagte, empfand ich als gar nicht mal falsch. Ich nickte, was er auch sah. Ich ging wieder auf ihn zu, aber die Distanz zwischen uns blieb trotzdem gleich.
»Wenn das die Lügenwelt ist, muss sie auch einen Herrscher oder König haben«, sagte ich.
»Ja. Wo steckt Freund Belial denn?«
Kaum hatte Suko den Namen des Lügenengels ausgesprochen, erlebten wir eine Reaktion. Das irre Lachen traf uns wie die Intervalle eines zerrissenen Donnerschlags. Es brachte keine körperliche Gewalt mit, und doch zuckten wir zusammen und duckten uns.
Dabei kam es mir vor, als würde ein Windstoß über meine Haare streichen, und ich richtete mich erst wieder zur vollen Größe auf, als das Lachen allmählich verebbte. Es hallte noch als Echo nach. So konnten
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