1366 - Das neue Atlantis
Sie hatte die Gefahr schon beim ersten Hochzucken des Feuers erkannt. Aus dem Stand sprang sie auf Jane Collins zu und fasste mit einer Hand hinein in das feurige Blatt. Sie erwischte es auch, aber es waren nur noch Fetzen, die sie zu fassen bekam. Einige brennende Reste, die noch als kleine Feuerzungen durch die Luft segelten und verloschen, während sie dem Boden entgegensanken.
Vier Augenpaare schauten dem Geschehen schweigend zu, und die Menschen dachten daran, was hier Ungewöhnliches geschehen war.
Das Blatt mit der Zeichnung hatte sich von selbst entzündet. Die kleinen Feuerzungen waren plötzlich in die Höhe geschossen, aber es hatte keinen Rauch und keine Hitze gegeben. Die Zeichnung war in einem kalten Feuer verbrannt.
Die Detektivin Jane Collins, die das Blatt in der Hand gehalten hatte, erwachte wie aus einem Traum. Sie strich sich über die Stirn, ohne sich dessen bewusst zu werden. Auf der Haut gab es keine Brandspuren zu sehen, sie spürte keine Hitze, die Finger waren und blieben normal.
Das tiefe Durchatmen.
Der Blick auf den Boden, wo keine Reste lagen. Nicht mal wenige Aschefetzen. Die Zeichnung hatte sich spurlos aufgelöst, und dafür hatte das Feuer gesorgt.
»Feuer«, flüsterte Jane Collins. Dabei schüttelte sie den Kopf, als könnte sie es nicht fassen, dass es so etwas überhaupt gegeben hatte.
»War das ein Feuer?«
»Es war Feuer«, antwortete Purdy Prentiss, die Staatsanwältin, die sich ebenfalls wieder gefangen hatte. »Und es kam aus dem Nichts. Niemand hat das Blatt angezündet. Es ist einfach da gewesen und hat die Zeichnung zerstört.«
»Feuer ohne Hitze«, flüsterte Jane.
»Genau«, bestätigte die Vampirin lachend. »Das habe ich auch bemerkt, als ich dir das Blatt entrissen habe. Du kannst dich bei mir bedanken. Vielleicht hätte es sich sogar weiter gefressen, um auch dich zu verbrennen. Aber es ist noch mal gut gegangen.«
Jane spürte keine Dankbarkeit in sich. Sie sah die blonde Bestie auch nicht an, sondern drehte sich um und Schritt durch das Zimmer, wobei sie ihren Gedanken nachhing. Ein Feuer ohne Hitze, das trotzdem Gegenstände verbrannte.
Normalerweise durfte es so etwas nicht geben – und trotzdem: Es gab es! Sie hatte es selbst unter den Augen von Zeugen erlebt. Und nicht zum ersten Mal.
Es gab verschiedene Arten von Feuer. Das wusste sie genau. Und sie war jetzt auch in der Lage dazu, das Geschehen zu rekonstruieren. Sie dachte dabei nur an sich persönlich und auch an das, was sie mal gewesen war. Ja, man hatte sie durchaus als eine Hexe der sehr negativen Art bezeichnen können. Über eine recht lange Zeit hatte Jane auf der Seite des Teufels gestanden, und da war sie auch mit den verschiedenen Feuerarten konfrontiert worden.
Kaltes Feuer gleich Höllenfeuer!
Bei diesem Resultat blieb sie abrupt stehen und strich wieder mit einer fahrigen Bewegung über ihr Gesicht hinweg. Dabei erfasste sie ein Schauer, was auch von den anderen bemerkt wurde.
»Was hast du?«, fragt Purdy Prentiss.
Jane drehte sich um und sah, dass die Staatsanwältin wieder auf der Couch Platz genommen hatte. Mit einer Hand hielt sie die Linke des Jungen fest, um ihm ein Gefühl von Schutz zu vermitteln.
»Ich glaube, dass ich Bescheid weiß«, flüsterte die Detektivin. »Ich habe es für einen Moment gespürt. Da wurde wirklich in mir die Vergangenheit lebendig. Ich kann jetzt sagen, was es gewesen ist, ehrlich.«
»Und was?«
»Höllenfeuer!«
Mit diesem Begriff wusste Purdy Prentiss nichts anzufangen.
Deshalb gab sie auch keine Antwort, es sei denn, man zählte ihr Schulterzucken dazu.
Die Cavallo wusste Bescheid. Ihr Lachen glich schon einem Kichern. »Ja, der Teufel, er spielt auch mit. Für mich kein Wunder. Er hatte gerade noch gefehlt.«
»Du kennst es, Jane?«
»Ja.«
Purdy schluckte. »Aber wieso passierte das? Warum zum Henker waren die Flammen zu sehen?«
»Es muss mit der Zeichnung zu tun haben. Mit ihr, dem Jungen und mit Belial.«
Als Jane den Zwölfjährigen erwähnte, wandten sich ihm sofort die Blicke zu.
Bruce Everett konnte keine Antwort geben. Er saß stumm auf seinem Platz und schaute ins Leere. Dabei war er derjenige gewesen, mit dem alles angefangen hatte. Belial, der Engel der Lügen, hatte zu ihm eine Verbindung aufgebaut. Er hatte den Jungen gewissermaßen zu einem Seher gemacht. Er sandte ihm auf geistigem Weg Bilder zu. Und das, was Bruce mit seinen inneren Augen wahrnahm, erzählte er nicht, er gab es zeichnerisch weiter. In
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