1371 - Das Erbe der Toten
London mit dem Flugzeug erreichen, das bei diesem Wetter wohl schwerlich landen konnte.
Unwetter, Platzregen und auch Gewitter hielten sich meist nicht sehr lange. Das war auch hier der Fall, denn unmerklich hellte sich die Umgebung auf, als wären Hände dabei, einen gewaltigen Schleier vom Himmel wegzuziehen. Zwar brachen keine Sonnenstrahlen durch das Dunkel, die Regentropfen in glitzernde Diamanten verwandelten, aber es wurde heller, und ich atmete auf.
Der Regen hatte auch nachgelassen. Kein hartes Trommeln mehr auf dem Autoblech, keine überschwemmte Frontscheibe, der Regen ließ immer mehr nach, und ich konnte endlich aufatmen. Der Himmel hellte sich immer stärker auf, und ich erkannte meine Umgebung, die aus Häusern, winzigen Vorgärten und Trennzäunen bestand. Wenn ich die Gasse weiter durch fuhr, geriet ich in die Nähe der Kirche, aber nicht direkt an sie heran.
Die letzten Meter musste ich zu Fuß gehen, was kein Problem mehr war, denn es lösten sich nur noch letzte Tropfen aus den Wolken, die sich zudem immer mehr verzogen, sodass helles Tageslicht zum Vorschein kam und sich auch erste Schatten bildeten.
Ich ließ eine Seitenscheibe nach unten fahren. Ein paar Tropfen erwischten mich dabei, aber es drang auch eine kühle und irgendwie gereinigte Luft in den Rover hinein, die mich förmlich dazu animierte, tief durchzuatmen.
Um den Wagen herum rauschte und gurgelte es. Das Wasser suchte sich seine Bahn, aber es bekam keinen Nachschub mehr, und das freute mich. Da ich in einer leicht abschüssigen Gasse stand, sah ich, dass mir das Wasser in Strömen entgegenfloss, als wäre es von den leichten Windböen getrieben.
Dass ich mich mitten in London befand und nicht mal weit von der berühmten Fleet Street und auch dem Ufer der Themse entfernt, war kaum zu glauben. Die Fleet Street im Norden, die Themse im Süden, so sahen die beiden Grenzen aus. Dazwischen lag dieser Bezirk mit seinen Gassen und zum Süden das Gelände der Inner Temple Gardens, dessen Grenze vom Victoria Embankment gebildet wurde, der Prachtstraße, die direkt am Wasser entlangführt.
Ich für meinen Teil hatte andere Sorgen, denn ich suchte einen Parkplatz für den Rover. Langsam fuhr ich den heranlaufenden Wasserströmen entgegen und hatte dabei das Gefühl, dass mein Auto zu einem Boot geworden war, denn beim Fahren spürte ich schon das Aquaplaning unter den Reifen.
Ich fand keinen Ort, wo ich den Rover abstellen konnte, ohne andere Fahrer zu behindern. Schließlich entschloss ich mich dazu, ihn in eine schmale Einfahrt zu lenken und weiter durchzufahren, denn ich hatte etwas Grünes gesehen.
Hinter der Einfahrt breitete sich ein kleiner Hof oder Park aus.
Auch hier glänzte alles nass. Auch jetzt noch fielen letzte Tropfen von den Blättern der Bäume.
Ich fand einen Platz für den Rover, stieg aus und geriet in die feuchte Luft hinein, die mich wie eine Waschküche umgab. Nur war es jetzt kühler geworden. Ein frischer Wind fegte die Reste der Schwüle endgültig zur Seite.
Was mich erwartete, wusste ich nicht. Allerdings hoffte ich, dass das Treffen schnell vorbei war, weil ich am Abend gern ein Fußballspiel sehen würde. Schließlich lief die EM, und da war England bis ins Viertelfinale vorgestoßen.
Templer und Fußball – eigentlich passte das nicht zusammen, doch bei mir war alles anders. Schließlich gab es noch ein normales Leben neben dem beruflichen, und das normale Leben wollte ich auf keinen Fall aufgeben.
Über mir zeigte der Himmel jetzt einen Mix aus Wolken, Sonne und Bläue. Ein schönes Bild, wenn ich daran dachte, wie er noch vor kurzem ausgesehen hatte.
Im Moment hielt ich mich als einziger Mensch in diesem Gebiet auf. Es war kein anderer zu sehen. Niemand kam auf mich zu, niemand sprach mich an und fragte nach dem Wohin und Woher.
Über ein altes Plattenpflaster im Weg erreichte schließlich mein Ziel. Die Kirche stand praktisch an einer Ecke. Dort begegneten sich zwei Wege. Es gab einen kleinen Vorgarten, der durch einen Gitterzaun begrenzt wurde. Im Garten wuchsen einige Bäume, die nicht sehr hoch waren. Trotz des Laubs wirkten sie irgendwie kahl. Wahrscheinlich waren sie erst vor kurzem beschnitten worden.
Den hässlichen Anbau ließ ich links liegen. Mein Weg führte nicht direkt auf den Eingang der Templer-Kirche zu, der tief ins Mauerwerk eingelassen worden war. Er sah mehr aus wie eine Nische und verengte sich zur eigentlichen Tür hin.
Bevor ich die Nische betrat, warf ich einen
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