138 - Die Pestburg
karges Mahl, das aus Schwarzbrot, Wurststückchen und ein paar Scheiben Käse bestand.
Danach fuhren wir weiter, die niedrigen Bergzüge waren unbewohnt.
Ludomil schien sich hoffnungslos verfahren zu haben, denn auf einmal wandte er sich in südlicher Richtung. Kurze Zeit fuhren wir einen Fluß entlang, doch das Gelände zwang uns zum Abbiegen.
Wieder ging es durch bewaldete Hügel hindurch.
Kurz vor Sonnenuntergang lenkte Ludomil den Wagen in den Wald, roh trieb er die Pferde durch das Unterholz, und nach ein paar Minuten hielten wir auf einer kleinen Lichtung.
Bethela kroch aus dem Wagen. Als sie meinen entsetzten Blick merkte, wandte sie sich rasch ab. Ihr Haar war nun schneeweiß.
„Hier sind wir wahrscheinlich sicher", sagte die Zigeunerin. „Gabor und Janko, ihr sucht nach einer Quelle und sammelt Holz."
Ich schnappte eine Kanne, und Janko schloß sich mir an.
Bevor ich den Wald betrat, drehte ich mich noch einmal um, Bethela sprach gestikulierend auf Ludomil ein, der immer wieder nickte.
„Was geht mit Bethela vor, Janko?"
„Ich weiß es nicht, Gabor", flüsterte Janko. „Es ist entsetzlich, das kannst du mir glauben. Sie altert rasend schnell."
„Wie ist so etwas möglich?"
Janko zuckte die Schultern. „Es ist die Strafe des Schrecklichen."
„Wer ist der Schreckliche?" bohrte ich weiter, doch Janko schwieg.
Ich suchte den Boden ab, nach ein paar Schritten trennten wir uns, doch trotz eifrigsten Suchens entdeckte ich keine Quelle. Enttäuscht sammelte ich zwei Armvoll Brennholz. Es war bereits dunkel, als ich den Wald verließ und die Lichtung betrat.
Überrascht blieb ich stehen. Von weit her klang durchdringendes Wolfsgeheul, kurz danach war das Brechen von Ästen zu vernehmen und schließlich ein durchdringender Schrei, der jäh abbrach. Ich spürte, wie sich vor Grauen mein Nackenhaar sträubte.
Die Pferde waren angebunden, und sie wieherten und scharrten mit den Hufen. Das Holz ließ ich unweit des Wagens fallen und tätschelte sanft die Hälse der erschöpften Tiere. Meine Nähe schien sie zu beruhigen.
„Ludomil!" schrie ich. „Bethela!"
Doch sie rührten sich nicht.
Ich hörte Schritte und drehte den Kopf. Eine Gestalt rannte auf mich zu. Meine Augen hatten sich bereits an die Schwärze gewöhnt. Der tiefstehende Mond verbreitete ein unwirkliches Licht, und der Wald schien mit einem dünnen Schleier bedeckt zu sein. Es war Janko, der auf mich zulief. Keuchend blieb er vor mir stehen.
„Hast du es auch gehört?" fragte er. „Es waren Wölfe."
„Ich bin nicht taub. Sieh nach, wo Bethela und Ludomil stecken. Ich bleibe einstweilen bei den Pferden."
Wieder erklang das Geheul der Wölfe. Die Pferde bäumten sich auf und wollten sich losreißen. Ich liebkoste sie weiter und versuchte sie mit Worten zu besänftigen.
„Ludomil und Bethela sind verschwunden", meldete Janko. „Was sollen wir tun?"
Ich überlegte kurz. „Ein Feuer kann sicherlich nicht schaden."
„Das lockt die Wölfe an."
„Nein, es wird sie abschrecken", sagte ich selbstbewußt, doch ich war höchst unsicher. Bisher hatte ich mit Wölfen nichts zu tun gehabt.
Janko gehorchte, und ich kletterte in den Wagen und suchte nach den Pistolen, die Bethela vor Jahren von einem Landsknecht geschenkt bekommen hatte. Es waren zwei alte Waffen, die ich endlich in einer vollgestopften Truhe fand. Die Kugeln und das Pulver befanden sich in zwei Lederbeuteln, die ich ebenfalls mitnahm, außerdem schob ich zwei spitze Dolche in meinen Gürtel.
Unweit der Pferde entfachte Janko ein Feuer.
Ich lud die Pistolen und hoffte, daß das Pulver nicht zu feucht geworden war.
„Hier, nimm eine Pistole und einen Dolch, Janko."
„Ich sorge mich um Bethela und Ludomil."
Das tat auch ich. Ich blieb nach ein paar Schritten stehen und lauschte. Ein leichter Wind war aufgekommen, der die Äste der Bäume zum Rascheln brachte.
Ich warf ein paar Holzstücke in die Flammen und schritt vorsichtig auf den Waldrand zu. Als ich das Knacken von Ästen hörte, riß ich die Pistole hervor.
Eine schauerliche Gestalt wankte auf die Lichtung und fiel der Länge nach zu Boden. Mühsam rappelte sie sich hoch und blickte mir entgegen. Es war ein junger Landsknecht, dessen braunes Haar verklebt war. Pusteln bedeckten sein Gesicht, und seine Kleider hingen in Fetzen von seinem Leib. „Nicht schießen", keuchte er.
Argwöhnisch blieb ich fünf Schritte vor ihm stehen.
„Wer bist du?" fragte ich.
„Deddo Backhaus", stammelte er.
Weitere Kostenlose Bücher