1381 - Wanderer zwischen den Welten
mit dem Blut eines normalen Menschen nichts zu tun hatte. Justine spie es aus. Sie keuchte dabei. Sie schrie auch und schnellte wütend in die Höhe.
Sie steckte voller Emotionen, stand vor der liegenden Cynthia wie ein Rennwagen bei Start, dessen Motor bereits lief und dessen Fahrer nur noch auf das Zeichen wartete, endlich losbrausen zu können.
Aber sie startete nicht, sie griff nicht an, und Jane erkannte an ihrem Blick, dass sie die Welt nicht mehr begriff.
So hatte die Detektivin eine Justine Cavallo noch nie erlebt. Jane wusste genau, dass sie einen irren Blutdurst verspürte und nun wahnsinnig enttäuscht sein musste, und Jane hoffte intensiv, dass Justine nicht durchdrehte und sich ihre Nahrung bei einem anderen Menschen holte, wie zum Beispiel bei Professor Hellman.
Jane sprach Justine deshalb an. »Sie ist kein richtiger Mensch«, erklärte sie mit leiser Stimme. »Es ist auch nicht unser normales Blut, was da in den Adern fließt.«
Justine hatte Jane verstanden. Sie wandte sich von ihrem Opfer ab und ging auf das Bett zu.
»Was ist es dann, verdammt?«
»Ich habe keine Ahnung. Aber du musst dich von dem Gedanken befreien, dass es sich dabei um menschliches Blut handelt. Sie sieht aus wie ein Mensch, aber sie ist woanders geschaffen worden. Das müssen wir akzeptieren.«
Die leisen und emotionslos gesprochenen Worte der Detektivin hatten Justine ein wenig beruhigt. Sie konnte sogar lächeln, als sie sich Jane näherte.
»Ich mach dir keinen Vorwurf, dass du es mir bei deinem Anruf nicht mitgeteilt hast, Jane.«
»Es wäre nicht möglich gewesen. Dass kein Blut in ihr fließt, kein normales, das hat mich ebenso überrascht wie dich.«
»Okay, dann werde ich sie eben anders…«
»Achtung, sie will…«
Es war Professor Hellman gewesen, der den Halbsatz hervorgestoßen hatte, nur war die Warnung zu spät gekommen, denn Cynthia hatte die Gunst des Augenblicks genutzt.
Eine gedankenschnelle Bewegung zur Tür. Das Ausstrecken des rechten Arms, der Griff nach der Klinke, und danach war alles weitere nur ein Kinderspiel.
Als der Arzt seinen Satz ausstieß, hatte Cynthia bereits das Zimmer verlassen und war in den Gang hineingetaucht…
***
Cynthia Black fror, als sie neben Suko die Treppe zum Eingang der Klinik hochging. Sie hatte innerlich nicht nur mit den Umständen zu kämpfen, sondern auch mit sich selbst. Es war einfach schrecklich für sie.
Die Tür öffnete sich. Zusammen mit Suko betrat sie die kleine Halle im Eingangsbereich. Dem Man hinter der Anmeldung zeigte er seinen Ausweis.
»Dann sind Sie der Yard-Mann, der angerufen hat?«, fragte der Mann hinterm Tresen.
»Und Sie sind der Nachtwächter, der niedergeschlagen wurde«, stellte Suko fest.
Der andere nickte. »Ich habe auf Sie gewartet, Inspektor, und daher zwischenzeitlich nichts unternommen.«
»Und ich habe Ihnen gesagt, dass es ausschließlich um Jane Collins geht, nicht um Sie«, entgegnete Suko hart. »Wo finden wir Miss Collins?«
Der Wachmann erklärte es ihnen, und sie rannten los. Suko war schneller als Cynthia und hatte auch als erster die Treppe hinter sich gelassen. Der Gang war nicht zu übersehen. Zwar mussten sie eine Doppeltür aufstoßen, aber das war kein Problem.
Auch jetzt war Suko der Erste. Und er sah auch sofort, was da passierte. Eine Tür wurde aufgerissen, und aus dem Zimmer dahinter stürmte eine Person hervor, die ebenso aussah wie Cynthia Black…
***
Ins Leere?
Hatte ich wirklich ins Leere gegriffen? Ich konnte es kaum glauben, aber es war tatsächlich der Fall. Die beiden hatten sich darauf verlassen, dass ihnen die andere Dimension half und ihnen die Flucht ermöglichte, und so war es auch. Wenn ich noch einige Sekunden wartete, dann hatte ich das Nachsehen. Es war zwar kaum zu fassen, aber die Körper befanden sich bereits in der Auflösung.
Ich griff zum letzten Mittel. Ich musste nur meine Hand in die rechte Tasche gleiten lassen, um das Kreuz hervorzuholen.
Das Kreuz erwischte die beiden!
Es hatte sie berührt, und trotzdem hatte ich keine Berührung gespürt. Dafür erlebte ich die Wirkung mit einer besonderen Härte, denn plötzlich gellten Schreie an meine Ohren. Gleichzeitig strahlte von meinem Kreuz das Licht auf und hüllte die beiden Gestalten ein, die sich auf dem Weg in die andere Dimension befanden.
Mein Kreuz hielt dagegen – und stoppte das Verschwinden.
Ich hörte das leise Jammern der Norma und das Fluchen ihres Freundes Alain.
Sie schafften die Flucht nicht mehr.
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