1383 - Hexenfriedhof
in einer Mischung aus Grün und Violett und kroch auch über das Dach hinweg.
Die Zeit, bis sie die Rückseite erreicht hatten, kam ihnen sehr kurz vor. Jane hatte sich keine Vorstellungen davon gemacht, was sie erwarten würde. Sie wollte alles auf sich zukommen lassen, und als sie den Platz erreicht hatten, blieben sie stehen.
»Nein!«, flüsterte Lucy. »Nein…«
Ihr Kommentar hatte nicht ängstlich geklungen, mehr erstaunt, und genau das war Jane Collins auch.
Der Friedhof lag in diesem ungewöhnlichen Licht. Er bildete eine Insel innerhalb der Dunkelheit, und die ungewöhnliche Helligkeit stieg tatsächlich aus dem Boden. Sie war so glatt, sie bewegte sich nicht, da gab es kein Zittern. Es war das Licht der toten Hexen, wenn man es denn so wollte.
»Können wir etwas tun, Jane?«
»Nein, vorerst nur abwarten.«
»Auf was?«
Jane gab keine Antwort, weil sie es selbst nicht wusste. Aber es gab jemand, der redete. Er war nur nicht zu sehen, und seine neutrale Stimme schien aus der Erde zu dringen.
»Ich grüße dich, Jane Collins. Herzlich willkommen bei uns, auch wenn du uns enttäuscht hast. Aber du bist ja noch hier, und nur das zählt…«
***
Auch Lucy hatte die geheimnisvolle Stimme gehört. Sie konnte nicht mehr an sich halten.
»O je, wer ist das?«
Jane schüttelte nur den Kopf. Sie wollte sich in ihren Überlegungen nicht stören lassen. Zwar hatte für sie die Stimme neutral gelungen, aber sie glaubte trotzdem, dass eine weibliche Person zu ihr gesprochen hatte, wobei sie sicher war, dass es sich dabei nicht um die alte Hexe Elvira handelte.
Während sie nachdachte, ließ sie ihre Blicke über den Friedhof schweifen. Zwar drang das Licht aus der Erde hervor, aber es machte sie nicht durchsichtig. Jane konnte immer noch nicht sehen, wer sich darin verbarg.
»Du hast mich enttäuscht, Jane, wirklich enttäuscht…«
»Warum?«
»Weil du nicht die Hüterin des Friedhofs geworden bist. Wir alle hätten es gern gesehen, denn du gehörst noch immer zu uns.«
»Nein, das ist ein Irrtum. Ich gehöre mir selbst und nicht zu euch. Wer immer du auch bist, merk es dir.«
»Hör auf und denke nach. Weißt du wirklich nicht, wer hier zu dir spricht?«
»Ich hoffe, du wirst es mir erklären.«
»Sicher. Und nicht nur das. Ich werde mich dir gegenüber sogar zeigen. Und dann werde ich dich noch mal fragen, ob du nicht doch die Nachfolge der guten Elvira übernehmen möchtest.«
Diesmal schwieg Jane.
Die Stimme hatte sie gehört, aber die Person war für sie nicht zu sehen gewesen.
Das änderte sich nun.
Sie kam – nein, sie war plötzlich da, als hätte sie jemand mitten auf den Friedhof gestellt.
Ein Mensch, eine Frau, deren dichtes Haar ebenso auffiel wie ihr langer Umhang.
Beinahe hätte Jane Collins laut gelacht. Im letzten Augenblick riss sie sich zusammen. Eigentlich war es klar, dass nur eine Person hier das Sagen hatte.
Assunga, die Schattenhexe!
***
Es war wirklich eine elende Kurverei, bis wir endlich in die Nähe des Ziels gelangten. Dabei war uns der Bach eine großen Hilfe. Wir hielten uns an seiner Uferseite, die nicht eben von einer Rennbahn begleitet wurde. Zuerst war es eine Straße gewesen, dann aber veränderte sie sich und verwandelte sich in einen Weg oder Treidelpfad, der dem Rover schon einiges abverlangte.
»Wir sind richtig, John«, flüsterte mir Glenda immer wieder zu.
»Was spüre ich.«
»Okay, ich verlasse mich auf dich.«
»Kannst du.«
Ich schaute sie für eine Sekunde an. Sie saß gespannt auf dem Beifahrersitz. Ihr Gesichtsausdruck zeigte, dass sie voll und ganz bei der Sache war. Sie würde nicht aufgeben.
Ich dachte daran, dass Glenda schon immer ihren eigenen Kopf gehabt hatte. Aber so zielgerichtet, konzentriert und auch wenig furchtsam hatte ich sie kaum erlebt. Als Erklärung dafür kam mir nur die durch das Serum herbeigeführte Veränderung in den Sinn.
Da hatte Saladin möglicherweise sogar ein Eigentor geschossen.
Jedenfalls konnte ich mich auf Glenda verlassen.
Irgendwann gab es den Weg nicht mehr. Das Scheinwerferlicht strich über keinen Asphalt mehr hinweg. Dafür tauchte es die Erde in eine kalte Helligkeit.
Ich hatte schon mit dem Gedanken gespielt, das Fernlicht einzuschalten. Bei genauem Überlegen erschien mir das jedoch zu risikoreich. Es gab weder Nebel noch Dunst. Man hätte uns meilenweit sehen können.
Natürlich konnten wir auch ohne Licht fahren, musste aber dann darauf setzen, dass keine Hindernisse im Weg lagen, und
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