1389 - Straße der Skarabäen
hier."
Der Terraner trat auf die Lichtung hinaus und sackte augenblicklich weg. Mit den Füßen voran stürzte er in die Tiefe.
Er hatte erwartet, ins Dunkle zu fallen, doch überraschenderweise blieb es hell. Er prallte mit den Füßen auf und fand sich in einem mannshohen Gang mit unregelmäßig geformten Wänden wieder, die mit Millionen von winzigen Insekten bedeckt waren. Von ihnen ging das Licht aus. Jedes der Tiere hatte einen winzigen Leuchtpunkt auf dem Rücken, und in ihrer Gesamtzahl schufen die Insekten eine so große Helligkeit, daß Rhodan seine Umgebung genau erkennen konnte.
Auf dem Boden zeichneten sich die Spuren des Kartanin deutlich ab. Er war unschlüssig einige Schritte hin und her gegangen, bevor er sich dazu entschlossen hatte, dem Gang in einer Richtung zu folgen. Die Spuren verrieten darüber hinaus, daß Nai-Leng von Schwindelgefühlen geplagt worden war. Er hatte sichtlich Mühe gehabt, sich auf den Beinen zu halten. Hin und wieder hatte er sich mit den Händen an der Wand abgestützt und dabei Hunderte von Insekten zerquetscht. An diesen Stellen waren dunkle Flecke zurückgeblieben, ebenso wie auf dem Boden, wo die Tiere unter seinen Füßen zerdrückt worden waren. „Nai-Leng", rief Rhodan. „Wo bist du?"
Seine Stimme hallte im Gang wider. Er erhielt keine Antwort. Der Vermißte war offenbar schon so weit entfernt, daß er Rhodan nicht hörte, oder er befand sich in einem Zustand, in dem er zu keiner Erwiderung fähig war. Der Terraner setzte sich in Bewegung. Er eilte durch den Gang, der nun schräg in die Tiefe führte. Nai-Lengs Spuren verrieten, daß er immer wieder ausgerutscht, jedoch nicht hingefallen war. „Nai-Leng!"
Rhodan glaubte, ein gequältes Stöhnen zu vernehmen. Er blieb stehen und horchte. Er hatte sich nicht getäuscht. Der Kartanin konnte nicht mehr weit entfernt von ihm sein. Er rief erneut, und die Antwort war deutlich. Nai-Leng schrie wie unter großen Schmerzen.
Rhodan jagte weiter, bis er den Freund sehen konnte.
Nai-Leng steckte bis zum Hals in einer nahezu vier Meter hohen, halbfertigen Pyramide, die in einer Höhle errichtet worden war. Tausende von schillernden Käfern krabbelten auf der fünfzehnstufigen Pyramide herum und verrichteten die unterschiedlichsten Arbeiten. Einige schleppten Baumaterial heran, andere schliffen die Kanten glatt oder schleiften Würmer und paralysierte Insekten über die Stufen zu dem Kartanin hoch, um sie direkt neben ihm einzugraben.
Rhodan stürmte die Pyramide hoch. Mit Händen und Füßen schleuderte er die Käfer zur Seite und stieß das noch weiche Material weg, das Nai-Leng umgab.
Der Kartanin bog den Kopf nach hinten und lachte schrill. Seine Augen funkelten in einem irren Licht. Er schien nicht zu begreifen, was mit ihm geschah. Als seine Arme freilagen, hoffte Rhodan, daß er ihm helfen würde, doch er bewegte sich nicht. Er war von den Schultern an abwärts gelähmt, so daß der Terraner ihn bis zu den Füßen ausgraben mußte, um ihn aus den Resten der Pyramide herausziehen zu können.
Die Käfer beachteten ihn nicht. Sie stürzten sich emsig auf die herabgefallenen Trümmer und versuchten, sie wieder aufzuschichten. Andere bargen die paralysierten Würmer und Insekten, die - über Nai-Leng hinaus - als Nahrungsreserve gedacht waren.
Mit dem Kartanin auf den Armen blieb der Unsterbliche stehen. Erst jetzt entdeckte er die künstlichen Exoskelette von drei Nakken. Sie lagen auf der rückwärtigen Seite der Pyramide auf dem Boden des Ganges. Deutlich erkannte er die Antigravs, die über den verdickten Kriechsohlen der Nacktschnecken angebracht wurden, und die Sprech-Sicht-Masken, die ihnen eine Orientierung in der vierten Dimension und eine Kommunikation mit anderen Wesen in deren Lautsprache ermöglichte. Die ungeordnete Lage dieser Teile machte deutlich, daß die Nakken Opfer der Insekten geworden waren, wobei nun nicht mehr geklärt werden konnte, ob sie vorher bereits tot gewesen waren oder ob sie von den Insekten überfallen und getötet worden waren.
Rhodan bemerkte einige Käfer, die an ihm hochkrochen und an dem Kartanin zerrten. Er schüttelte sie mit heftigen Bewegungen ab und verließ die Pyramide. Er war überrascht und erschüttert, denn er hatte nicht damit gerechnet, auf diesem Planeten Nakken vorzufinden, obwohl Beodu eine entsprechende Vermutung geäußert hatte.
Nai-Leng krümmte sich wie unter großen Schmerzen zusammen. Seine Augen weiteten sich, und Schaum quoll ihm über die Lippen.
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