14 - Geheimagent Lennet und der Scheintote
fiel aber, wie abgesprochen, nicht sofort um. Der Mörder, nicht weiter überrascht, daß der erste Schuß fehlgegangen war, schoß wieder. Zweiter Schuß. Julio griff sich an die Brust und ließ sich auf den Rücken fallen.
Im Sturz drückte er seine Gitarre an sich, wie um sie zu schützen. Jeder wußte, wie sehr er an ihr hing, es sah erschreckend echt aus. Drei weitere Schüsse. Ein Zucken durchlief den Körper des Opfers, dann lag er bewegungslos da. Noch ein Schuß: der Gnadenstoß.
Plötzlich leuchtete Licht auf im Gebüsch: Blitzlicht zuckte.
Jemand hatte Bilder gemacht. Schritte wurden laut. Flucht durch das Gebüsch. Geräusch eines anfahrenden Autos.
Otávio ließ den Tatort hinter sich.
Drei männliche Gestalten rannten aus verschiedenen Richtungen über den Platz zu Julio hin, der noch immer reglos am Boden lag…
»Du nimmst ihn an den Füßen, ich an den Schultern«, sagte Lennet zu Ray.
»Nicht nötig, ich nehme ihn auf den Rücken«, erklärte Gaston eifrig.
»Du bist verrückt!« antwortete Lennet. »Wir wissen noch nicht einmal, ob er nicht doch tot ist. Los, Ray, lauf.
Gaston läßt den Wagen an.«
Ein paar Spaziergänger, die durch die Schüsse und die Blitzlichter aufmerksam geworden waren, sahen zwei junge Männer, die einen dritten wegtrugen. Ein großer Schwarzer kam auf sie zu, um ihnen zu helfen.
»Ruf lieber die Polizei an«, antwortete Ray.
Plötzlich leuchtete Licht auf. Ein Blitzlicht. Es tauchte den flüchtenden Otávio in blendende Helligkeit
Julio wurde auf den Rücksitz gelegt. Lennet und Ray zwängten sich vorn in den Lotus. Der junge Diplomat fuhr los. Da brach auf dem Rücksitz ein Riesengelächter los.
»Sagt mal, das war ja ein Meisterstück!: Ich fand mich ausgezeichnet!« rief Julio und klatschte sich begeistert auf die Schenkel. Die Spannung fiel langsam von ihm ab.
»Bleib liegen, Julio!« befahl Lennet. »Du warst prima, aber jetzt darf nichts mehr schiefgehen!«
Der Lotus fuhr aus dem Park heraus die Straße hinauf und hielt vor einem Haus, das der französische Botschafter eigens für diese Angelegenheit gemietet hatte.
Lennet und Ray trugen das Opfer. Beobachtete sie jemand? Sie mußten ihre Rolle zu Ende spielen. Julio wurde in eines der Zimmer gebracht, in dem auch das berüchtigte Paket für Monsieur Pichenet stand.
»So, Julio«, sagte Lennet. »Hier bleibst du erst einmal zwei Tage lang. Ich besuche dich. Du warst einfach super! Jetzt heißt es Geduld haben. Aber du wirst es schon schaffen. Wir müssen jetzt weg. Wir haben noch einiges zu erledigen!«
»Gebt mir wenigstens noch meine Gitarre«, bat Julio. Sie wurde ihm gebracht. Dann sprangen die drei in den Lotus und fuhren in die Dunkelheit. Jetzt erst konnte Lennets eigentlicher Auftrag erledigt werden.
Der junge Geheimagent nannte eine Adresse; Ray wies dem Botschaftsattache den Weg. Das Auto fuhr eine breite Straße hinauf. Plötzlich hob Lennet die Hand. »Halt. Hier ist es.«
Rasch stieg er aus. Eine Tasche in der Hand, die über das diplomatische Gepäck direkt vom END zur Botschaft gekommen war. Lennet lief zu einem Gitterrost auf dem Gehsteig. Mit einer Brechstange hob er den Deckel hoch und blickte in einen Schacht hinunter.
»Was ist das?« flüsterte Gaston.
»Was wohl? Ein unterirdischer Abfluß für das Regenwasser«, antwortete Ray. »Im Frühling regnet es manchmal so stark, daß das Wasser innerhalb von ein paar Minuten achtzig Zentimeter hoch steigt. Dadurch vermeiden wir Überschwemmungen. Rio ist wie ein richtiger Termitenhügel gebaut, mit unzähligen unterirdischen Gängen. Wußtest du das nicht, du Diplomat?« Pontamadour schüttelte den Kopf.
Lennet stieg als erster die Eisenleiter hinunter. Seine Fackel warf ein flackerndes Licht. Der Abfluß mündete in die Abwasserkanäle, daher roch es unangenehm modrig und faul. Unten angekommen, konnten sich die drei Männer nur gebückt vorwärtsbewegen; die Steine waren glitschig, Wasser lief die Wände herab.
»Es wird ja immer spannender!« stellte Gaston befriedigt fest. An dem Zusammenfluß dreier Rinnsale hielt Lennet an. In einer Ecke stand ein zylindrischer Gegenstand, ungefähr einen Meter fünfzig hoch und vierzig Zentimeter im Durchmesser. Lennet wandte sich zu seinen Helfern um. »Ich habe euch gewarnt. Macht ihr immer noch mit?«
»Wenn du immer noch die gleiche Prämie bezahlst«, erwiderte Ray trocken.
»Können wir nicht erfahren, worum es eigentlich geht?« fragte der Franzose. »Ich halte
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