14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul
Scheik Gasahl Gaboya uns verfolgen wird. Glaubst du noch immer, unser Anführer sein zu können?“
„Emir, verzeihe mir! Aber ich bin überzeugt, daß der Bebbeh uns nicht ereilen wird. Er hat zu weit zurück zu reiten, um die Seinigen zu treffen.“
„Meinst du? Ich bin bei vielen Völkern gewesen, deren Charakter ich kennen gelernt habe, und darum ist es nicht so leicht, mich zu täuschen. Der Bruder des Scheik ist ein ehrlicher Mann, aber er ist nicht der Anführer der Bebbeh. Er hat bei ihnen nur freien Abzug für uns erreichen können, und ich gebe meinen Kopf zum Pfand, daß sie uns gefolgt sind, ohne sich sehen zu lassen. Solange der Scheik sich in unseren Händen befand, waren wir sicher; nun aber müssen wir Besorgnis hegen. Sie werden sich rächen wollen für alles, auch für die Pferde, die wir ihnen töteten.“
„Wir brauchen sie nicht zu fürchten“, tröstete Amad el Ghandur; „denn eben dieser Pferde wegen können uns nicht alle verfolgen. Und wenn sie kommen, werden wir sie mit unseren guten Gewehren empfangen.“
„Das klingt gut, ist aber nicht so. Sie haben gesehen, daß wir ihnen im offenen Kampf überlegen sind; sie werden uns abermals einen Hinterhalt legen oder uns gar des Nachts überfallen.“
„Wir stellen Wachen aus!“
„Wir sind nur sechs Mann, und wenigstens so viele Wachen brauchen wir, um uns leidlich sicher fühlen zu können. Wir müssen an etwas anderes denken.“
Unser Führer, der Kohlenbrenner, hielt ein wenig seitwärts von unserer Gruppe. Er befand sich in Verlegenheit, denn er erwartete Vorwürfe darüber, daß er den Haddedihn nicht gehindert hatte, den Gefangenen zu befreien.
„Wie weit nach Süden reiten die Bebbeh?“ fragte ich ihn.
„Bis zum See hinab“, antwortete er.
„Kennen sie die Gegend genau?“
„Ganz genau. Sie kennen“, sagte er, „so gut wie ich jeden Berg und jedes Tal zwischen Derghezin und Miek, zwischen Nweizgieh und Dschenawera.“
„Wir müssen“, fuhr ich fort, „einen anderen Weg einschlagen, als wir vorher wollten. Nach West dürfen wir nicht. Wie weit ist es von hier nach Ost bis an die Hauptkette des Zagrosgebirges?“
„Acht Stunden, wenn wir durch die Luft reiten könnten.“
„Da wir aber auf der Erde reiten müssen?“
„Das ist verschieden. Ich kenne weiter unten einen Paß. Wenn wir gegen Sonnenaufgang reiten, so übernachten wir in einem sichern Wald und erreichen morgen, wenn die Sonne am höchsten steht, das Zagrosgebirge.“
„Dort muß aber wohl die persische Grenze sein, wenn ich nicht irre?“
„Ja, denn dort grenzt das kurdische Land Teratul an den persischen Distrikt von Sakiz, der nach Sinna gehört.“
„Gibt es dort Kurden von Dschiaf?“
„Ja; aber sie sind sehr kriegerisch.“
„Vielleicht nehmen sie uns dennoch gut auf, denn wir haben ihnen nichts getan. Auch ist es möglich, daß der Name des Khan Heider Mirlam uns bei ihnen als eine Empfehlung dienen kann. Führe uns zu dem Paß, von welchem du sprachst. Wir reiten nach Osten!“
Dieses Gespräch war in kurdischer Sprache geführt worden; ich verdolmetschte es den Gefährten, und sie waren mit meiner Anordnung vollkommen einverstanden. Nachdem Amad el Ghandur wieder umgesattelt und sein voriges Pferd bestiegen hatte, setzten wir den Ritt fort. Mohammed Emin nahm den Hengst an die Seite.
Im Lauf dieser unangenehmen Verhandlungen und Begebenheiten war eine geraume Zeit vergangen, und es war ziemlich Mittag, als wir den erwähnten Paß erreichten. Wir befanden uns mitten in den Bergen und wandten uns nun nach Ost, nachdem wir dafür gesorgt hatten, daß keine Spur diese Veränderungen unserer Reiserichtung verraten könne.
Bereits nach einer Stunde bemerkten wir, daß sich das Terrain wieder zu senken begann, und auf meine Erkundigung erfuhr ich von Allo, daß zwischen hier und der Zagroskette ein bedeutendes Längental quer zu durchreiten sei.
Der am Morgen vorgefallene Zwist hatte in unserm sonst so brüderlichen Kreis eine tiefe Verstimmung zurückgelassen, die auf meinem Gesicht wohl am deutlichsten zu lesen war. Ich durfte mein Auge gar nicht auf den Hengst richten. Der Bläßfuchs war zwar auch kein übles Pferd, aber die Kurden verstehen ein Pferd nur zu Schanden zu reiten, und ich fühlte mich im Sattel wie ein Anfänger der edlen Turnkunst auf dem dürren Klepper, dessen verborgene Eigenschaften man erst zu studieren hat. Dem Hengst gönnte ich es freilich vom ganzem Herzen, daß er jetzt so frei und leicht nebenher
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