14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul
zu tragen; das Wort wird dann meist in Mehemmed verwandelt.
Dem Knaben waren von seinem Vater nur zwei Kamele, fünf Schafe und eine abessinische Sklavin hinterlassen worden, weshalb er sich zunächst auf den Schutz seines Großvaters Abd-al-Mokalib und nach dessen Tod auf die Unterstützung seiner beiden Oheime Zuheir und Abu Taleb angewiesen sah. Da diese Männer aber nicht viel für ihn tun konnten, so mußte er sich sein Brot als Schafhirtenjunge verdienen. Später wurde er Kameltreiber und Bogen- und Köcherträger, wobei sich wahrscheinlich sein kriegerischer Sinn entwickelt hat.
Als er fünfundzwanzig Jahre zählte, trat er in den Dienst der reichen Kaufmannswitwe Chadidscha, der er mit solcher Treue und Aufopferung diente, daß sie ihn lieb gewann und ihn zu ihrem Gemahl machte. Das große Vermögen seiner Frau ging ihm aber später verloren. Er lebte nun bis zu seinem vierzigsten Jahr als Kaufmann und Händler. Er kam auf seinen weiten Reisen mit Juden und Christen, mit Bramahnen und Feueranbetern zusammen und gab sich Mühe, ihre Religionen kennenzulernen. Er litt an Epilepsie und infolgedessen an einer Verstimmung des Magensystems, die ihn sehr zu Halluzinationen geneigt machte. Seine religiösen Grübeleien waren der Heilung dieser Krankheit nicht sehr förderlich. Er zog sich schließlich gar in eine Höhle zurück, die in der Nähe von Mekka auf dem Berg Hara lag. Hier hatte er seine ersten Visionen.
Der Kreis der Gläubigen, der sich um ihn versammelte, bestand zunächst nur aus seiner Frau Chadidscha, aus seinem Sklaven Zaïd, aus den beiden Mekkanern Othman und Abu Bekr und aus seinem jungen Vetter Ali, der später den Ehrennamen Areth-Allah (Löwe Gottes; auch Assad Allah el Ahalib, Löwe des siegreichen Gottes) erhielt und zu den unglücklichsten Helden des Islam gehört.
Dieser Ali, dessen Name auf deutsch ‚der Hohe, der Erhabene‘ bedeutet, war im Jahre 602 geboren und stand bei Mohammed in solchem Ansehen, daß er dessen Tochter Fatima zur Gemahlin erhielt. Als der Prophet im Kreis seiner Familie zum ersten Mal seine neuen Glaubenssatzungen vortrug und dann fragte: „Wer unter euch will mein Anhänger sein?“ da schwiegen alle, nur der junge Ali, begeistert von der gewaltigen Poesie des soeben gehörten Vortrages, rief in lautem, entschlossenen Ton: „Ich will es sein und nimmer von dir lassen!“ Das hat ihm Mohammed niemals vergessen.
Er war ein tapferer, verwegener Kämpfer und hatte großen Teil an der so ungemein schnellen Ausbreitung des Islam. Dennoch wurde er, als Mohammed ohne letztwillige Verfügung starb, übergangen, und man wählte Abu Bekr, den Schwiegervater Mohammeds, zum Kalifen (Kalif heißt Stellvertreter). Diesem folgte im Jahr 634 ein zweiter Schwiegervater des Propheten, namens Omar, welchem wieder Othman, ein Schwiegersohn Mohammeds, nachfolgte. Dieser wurde im Jahr 656 von einem Sohn Abu Bekrs erstochen. Man beschuldigte Ali der Anstiftung dieses Mordes, und als er von seiner Partei erwählt wurde, verweigerten ihm viele von den Stadthaltern die Huldigung. Er kämpfte vier Jahre lang um das Kalifat und wurde im Jahre 660 von Abd-er-Rahmann erstochen. Er liegt in Kufa begraben, wo ihm auch ein Denkmal errichtet worden ist.
Von hier an datiert sich die Spaltung, die die Mohammedaner in zwei gegnerische Heerlager, in die Sunniten und die Schiiten teilt. Diese Spaltung bezieht sich weniger auf die islamitischen Grundsätze als vielmehr auf die Personalfrage der Nachfolgerschaft. Die Anhänger der Schia behaupten nämlich, daß nicht Abu Bekr, Omar und Othman, sondern nur allein Ali das Recht gehabt hätte, der erste Stellvertreter des Propheten zu sein. Die zwischen den beiden Parteien dann ausgebrochenen Streitigkeiten über die Attribute Gottes, das Fatum, die Ewigkeit des Koran und die einstige Vergeltung sind nicht als so wesentlich zu betrachten.
Ali hinterließ zwei Söhne, Hassan und Hosseïn. Der erstere wurde von den Schiiten zum Kalifen erwählt, während die Anhänger der Sunna Muawijah I., den Gründer der Ommijaden-Dynastie, erkoren. Dieser letztere verlegte seine Residenz nach Damaskus, machte das Kalifat erblich und erzwang bereits zu seinen Lebzeiten die Anerkennung seines Sohnes Dschezid, der sich später als ein solcher Wüterich zeigte, daß sein Andenken selbst von den Sunniten mit Fluch belegt wird. Hassan konnte sich gegen Muawijah nicht behaupten und starb im Jahre 670 in Medina an Gift.
Sein Bruder Hosseïn widersetzte sich der
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