14 - Roman
Fischerboote aus Noirmoutier ansehen fahren oder die in Trentemoult vor Anker liegenden Kähne, die in der Mündung fischen – Fischbrut, Aale, Lampreten.
Blanche, die widerwillig aufgestanden ist, hat vor ihrer Morgentoilette gewählt, was sie anziehen wird: ein kurzärmeliges Batisthemd aus dem Wäscheschrank, ein grünes Cheviotkostüm aus dem Kleiderschrank, Unterwäsche und Strümpfe aus den Schubläden der Kommode, auf der zwei Parfümflakons herumstehen. Sie hat in Sachen Schuhe zwischen zwei verschieden hohen Absätzen geschwankt, nicht jedoch bei ihrer Entscheidung für den Reisstrohhut mit dem schwarzen Samtband gezögert. Nach einem knappen Stündchen im Badezimmer ist sie gewaschen und angekleidet und hat im Spiegel des Wäscheschrankes die Wirkung begutachtet, hier eine Strähne geglättet, da eine Falte zurechtgezupft. Beim Verlassen des Zimmers ist sie am Schreibtisch vorbeigekommen, der mithin an diesem Morgen keinerlei Rolle gespielt hat: Er ist daran gewöhnt, seine einzige Aufgabe besteht darin, die Briefe zu bewahren, die Anthime und Charles regelmäßig an Blanche schreiben, jeder für sich, und die als mit Bändern in Komplementärfarben zusammengebundene Stapel in getrennten Schubladen ruhen.
So vorbereitet, ist Blanche leise die Treppe ins Erdgeschoss hinuntergegangen und hat die Eingangshalle durchquert, mit einem Schlenker, um dem Esszimmer auszuweichen. Dort – raues Knuspern des Brotmessers auf der Kruste, Teelöffelklimpern im Dunst des Zichorienkaffees – beenden ihre Eltern das Frühstück: Wenig vernehmbarer Austausch zwischen Eugène und Maryvonne Borne, verdrießliches Schlucken des Fabrikdirektors, melancholisches Ausatmen der Fabrikdirektorengattin. Aus dem mit Wachstuch gefütterten Schirmständer aus Weidengeflecht neben der Haustür hat Blanche einen mit Karos bedruckten Cretonne-Sonnenschirm genommen.
Einmal draußen, ist sie auf das Tor zugegangen; vom Mittelweg des Gartens, sorgsam gekämmter weißer Kies, zweigen kleinere Pfade entlang den Beeten, dem Wasserbecken, den Rosenbögen und Zierbäumen ab – unter Letzteren eine matte Palme, die schon allzu lange in diesem Klima durchhalten muss. Ebenso ist Blanche, wenn auch umstandsloser, der Gestalt des krummrückigen, hinkebeinigen Gärtners ausgewichen, der genauso taub ist wie die Palme und der die Rabatten gießt: Sie hat nur gerade darauf geachtet, dass der Kies bis zum schmiedeeisernen Tor nicht allzu vernehmlich knirscht.
Draußen jetzt sonntägliche Geräuschkulisse: Alles ist leiser als in der Woche, einerseits wie an jedem anderen Sonntag, dann aber auch wieder nicht, es ist nicht dieselbe Stille wie sonst, als hinge noch ein Restecho von den Jubelrufen der letzten Tage in der Luft, von den Fanfaren und Ovationen. Früh an diesem Morgen haben die hiergebliebenen ältesten städtischen Angestellten die letzten welken Blumensträuße weggeräumt, zerknitterte Kokarden, Reste von Spruchbändern, Taschentücher, erst nassgeweint, dann getrocknet, bevor sie durch den Rinnstein gespült wurden. Ein paar verloren gegangene Gegenstände sind ins Fundbüro gewandert, ein Gehstock, zwei zerrissene Halstücher, drei verbeulte Hüte, die im patriotischen Taumel gen Himmel geschleudert wurden und deren legitime Träger man nicht mehr hat finden können: Jetzt wartet man darauf, dass sie sich zeigen.
Außerdem ist es ruhiger, weil weniger Leute, zumal weniger junge Männer auf der Straße sind – allenfalls sehr junge, die gemeinhin der Meinung sind, dieser Krieg werde sehr kurz sein, und ihn daher ignorieren oder sich keine Gedanken darum machen wollen. Die wenigen jungen Männer ihres Alters, denen Blanche begegnet, sind mehr oder weniger sichtbar beeinträchtigt und ausgemustert worden, jedenfalls zu diesem Zeitpunkt – es könnte vorläufig sein, aber auch das wissen sie noch nicht. Die Kurzsichtigen zum Beispiel, zunächst vom Soldatendienst befreit und dank ihrer Brillen geschützt, ahnen keinen Augenblick lang, dass sie demnächst mit ihnen per Zug ostwärts fahren könnten, wenn möglich mit einem Ersatzgestell im Gepäck. Ebenso die Tauben, Nervösen, Plattfüßigen. Diejenigen, die eine Beeinträchtigung simulieren oder dank ihrer Verbindungen ausgemustert werden und nicht einmal simulieren müssen, zeigen sich derzeit lieber nicht so in der Öffentlichkeit. Die Kneipen sind menschenleer, die Kellner verschwunden, die Wirte müssen selbst auf der Schwelle und zwischen den Tischen auf dem Bürgersteig kehren.
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