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14 - Roman

14 - Roman

Titel: 14 - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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der Feldküche, die gerade aufgebaut wurde. Charles schien nicht mehr zum Reden aufgelegt zu sein als im Zug und als sonst auch, weder über den Krieg noch über die Fabrik, doch hier konnte er sich, apropos Fabrik, nicht in einen Flur entziehen wie dort unter dem Vorwand, er habe gerade dringende Post unterm Arm, wie er es immer zu tun gewusst hatte, hier hatte er doch zu Anthimes Sorgen Stellung nehmen müssen. Außerdem war man jetzt gleich gekleidet, das erleichtert den Austausch ja immer. Und mit der Fabrik, sorgte sich also Anthime, wie sollen wir das machen? Ich habe Madame Prochasson, die kümmert sich um alles, erklärte Charles, ihr liegen alle Akten vor. Bei dir genauso, du hast Françoise in der Buchhaltung, du wirst alles tipptopp vorfinden, wenn wir zurückkommen. Wer weiß, wann, überlegte Anthime. Sehr bald, meinte Charles wieder, für die Septemberbestellungen sind wir wieder zurück. Na ja, sagte Anthime, wir werden schon sehen.
    Die Männer wanderten ein wenig im Quartier herum, um sich kundig zu machen, was die Gegend so zu bieten hatte. Manche maulten schon, es gebe nichts zu essen, kein Bier und nicht einmal Streichhölzer, und der Wein, der von den Ortsansässigen angeboten wurde, war unverschämt teuer – man hatte sofort erkannt, wie aus der Situation Profit zu schlagen war. Fern waren fahrende Züge zu hören. Und aus den Feldküchen war nichts zu erwarten, solange sie nicht fertig aufgebaut waren. Da vom Reiseproviant längst nichts mehr übrig war, teilte man sich ein paar Portionen kaltes Dosenfleisch, dazu gab es etwas trübes Wasser, dann ging man schlafen.

5
    B lanche verließ das Stadtzentrum mit seinen Fluchtlinien dichtgedrängter Häuser, seinen Plätzen mit aneinandergeduckten alten Gebäuden, und ging weitläufigere, freiere Straßen entlang, wo eine weniger einheitliche, geradezu unzusammenhängende Architektur vorherrschte: Die Häuser von größerer Stilvarietät oder auch gar nicht vorhandenem Stil atmeten freier, standen etwas von der Straße abgerückt in mehr oder weniger großen Gärten. Auf ihrem Weg kam Blanche auch an Charles’ Haus vorbei, dann an Anthimes, beide zu diesem Zeitpunkt gleichermaßen von ihren Bewohnern verlassen.
    Charles’ Wohnstätte: Jenseits eines fein gearbeiteten Torgitters, hinter dem man einen üppigen, gut instand gehaltenen Garten vermuten konnte, mit gepflegten Blumen und Rasen, führte ein Weg zu einer mit Platten belegten Terrasse, auf der Pfeiler emporragten und eine mit bunten Glasfenstern versehene Doppeltür flankierten, zu der man über drei Stufen gelangte. Von der Straße aus sah man in einiger Entfernung die bläulich-gelbliche Granitfassade, schmal und hoch und äußerst unzugänglich, wie ihr Bewohner, drei Geschosse mit einem Balkon im ersten Stock.
    Die von Anthime war niedriger und gedrungener – als müsste eine Bleibe, ganz wie ein Hund, merkmalsgleich zu ihrem Besitzer sein –, verfügte über nur eine Etage, und aus größerer Nähe sah man ihre rissige Frontseite. Weniger gut von einer halb offen stehenden Pforte aus mehr oder weniger lückenlosen, mit weißer abschilfernder Farbe gestrichenen Planken verborgen, ging sie auf einen schmalen, undeutlich abgegrenzten Bereich voller Unkraut, an dessen Rändern es Ansätze von Gemüseanbau gab. Um in Anthimes Haus zu gelangen, musste man dann eine rissige Zementplatte betreten, sie war nur durch die Pfotenabdrücke eben eines Hundes verziert – eines wahrscheinlich seinerseits niedrigwüchsigen und gedrungenen Tiers –, die er dort an dem fernen Tag hinterlassen hatte, als die Platte frisch gegossen war. Als einzige letzte Erinnerung an das längst verstorbene Tier blieben diese Tapsen, an deren Grund sich erdiger Staub sammelte, ein organisches Residuum, in dem anderes, kleinerformatiges Unkraut zu sprießen bemüht war.
    Auf diese beiden Domizile warf Blanche nur einen kurzen Blick, während sie weiter Richtung Fabrik ging, eine kontinentale Masse aus dunklen Backsteinen, festungsähnlich in sich selbst kauernd, vom Wohnviertel getrennt durch furchtsame Sträßchen, die ganz um sie herum verliefen wie Gräben um eine Burg. Der gewaltige Haupteingang, sonst stets offen klaffend, ein Maul, das zu festen Zeiten die frischen arbeitsamen Massen verschlang, um sie völlig erledigt wieder auszuspeien, war an diesem Sonntag so verrammelt wie ein Münzdepot. Ein runder Frontgiebel überragte ihn, auf dem die Zeiger einer großen Uhr kreisten und an dessen Rand als riesiges

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