1402 - Das Vampir-Puzzle
trat in meine Nähe. Sie streichelte über meine Wangen.
»Manchmal muss man eben über den eigenen Schatten springen. Du weißt selbst, dass Saladin nicht anders gehandelt hätte.«
»Ja. Nur bin ich nicht er.«
»Ihn loszuwerden ist ein Gewinn für die Menschheit. Denk nur daran, was er noch alles in Szene hätte setzen können und…«
»Okay«, sagte ich. »Okay, ich werde Justine nicht mehr behindern. Alles klar?«
»Ja«, flüsterte Jane, aber sie schaute mich mit einem Blick an, als würde sie mir nicht glauben.
Ich hörte Justine in ihrer Vorfreude auf den Blutgenuss leise lachen und schaute sie an. Sie war dabei, sich die reglose Gestalt des Hypnotiseurs zurechtzulegen. Er sollte schräg auf ihrem rechten Arm liegen, und sie würde den Kopf so drehen, dass der Hals frei lag, sich die Haut spannte und sich die Adern darunter abzeichneten.
Dann reichte ein Biss aus…
Die blonde Bestie ließ sich Zeit. Sie ritualisierte diesen Vorgang.
Sie genoss ihn. Die Augen waren auf das Opfer gerichtet, und wieder leckte sie über ihre Lippen, was ich persönlich als eine obszöne Geste ansah.
Sie redete kein Wort mehr.
Durch seinen völlig haarlosen Schädel wirkte der Hypnotiseur wie eine Puppe. Seine Lippen waren blass, und so hoben sie sich kaum von der normalen Haut ab.
Jane fasste mich an und drückte dabei meinen rechten Arm.
»Bitte, John, du solltest stark sein, sehr stark. Denk an den Erfolg und auch daran, dass Saladin bald kein normaler Mensch sein wird.«
»Ich weiß. Und trotzdem…«
Justine hatte Jane ebenfalls gehört. »Hör zu«, sagte sie zu mir, »wenn du es nicht mit ansehen kannst, bitte, das Haus ist groß genug. Aber störe mich nicht in meinem Genuss.«
Nein, wegschicken lassen wollte ich mich nicht. Ich blieb, ich musste es sehen, auch wenn es gegen meine Überzeugung ging.
Justine öffnete den Mund. Ihr perfektes Gesicht nahm dabei einen anderen Ausdruck an. Es verzerrte sich auf eine schon hölzerne Art und Weise. Da sie die Oberlippe weit zurückgezogen hatte, waren ihre großen Zähne zu sehen und natürlich auch die Spitzen, die direkt auf den Hals gerichtet waren.
Sie war bereit zum Biss, senkte den Kopf, und ich verkrampfte mich in diesem Augenblick, als wäre ich es, der gebissen werden sollte. Trotz meiner jahrelangen Erfahrungen auf einem bestimmten Gebiet gab es immer wieder Situationen, mit denen ich nur schwerlich fertig wurde…
Justine schnappte zu. Ja, es war mehr ein Schnappen, denn sie wollte den weit geöffneten Mund auf die Halshaut des Mannes drücken, um dann zuzubeißen.
Dazu kam sie nicht.
Auf einmal, wie von einem Lichtstrahl herbeigeführt, veränderte sich in unserer Umgebung alles. Aus dem Nichts entstanden sie, und aus dem Nichts rasten sie heran.
Das Flattern umschwirrte uns. Die Luft war voller Geräusche. Und dann sahen wir auch diejenigen, die diese Geräusche verursachten.
Fledermäuse, die echten Vampire, die jedoch unter der Kontrolle eines anderen standen.
Keiner fragte, woher sie kamen, aber jeder wusste, dass es ernst für uns wurde…
***
Mallmann, der echte Dracula II, hatte seinen Freund Saladin nicht im Stich gelassen. Er hatte die Gestalt aufgelöst und damit das Puzzle zerstört. Schwarze, heftig flatternde Wesen mit langen Schwingen.
Unheimliche Todesboten, die scharf darauf waren, Blut zu trinken, und sich nicht scheuen würden, selbst jemanden anzugreifen, der eigentlich zu ihnen gehörte.
Ich wusste nicht, wie lange wir Zeit hatten, bevor sie uns erreichten. Uns blieben vielleicht zwei, höchstens drei Sekunden, dann mussten sie über uns herfallen, und es sah nicht so aus, als würden sie Justine Cavallo verschonen.
In Augenblicken wie diesen war es schon seltsam, wie ich das Erlebte aufnahm. Ich weiß nicht, ob es allen Menschen so ergeht, aber ich hatte den Eindruck, dass sich die Zeit verzögern würde und langsamer ablief, damit ich noch die Chance erhielt, mich auf den Angriff einzustellen. So sah ich alles überdeutlich und stellte zunächst fest, dass die Fledermäuse aus einer Richtung angriffen.
Sie kamen von vorn.
Und sie kamen gewaltig. Sie waren eine schwarze, flatternde Masse, die sich beim Fliegen gegenseitig behinderte, sodass sie vielleicht nicht so schnell vorankam, wie sie es eigentlich gewollt hatte.
Trotzdem jagte mir die Masse dieser Fledermäuse Furcht ein. Es waren unheimliche, flatterige Boten, die zusammengewachsen zu sein schienen, so eng und dicht flogen sie auf uns zu.
Ich hörte Jane
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