Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
141 - Das trockene Meer

141 - Das trockene Meer

Titel: 141 - Das trockene Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn
Vom Netzwerk:
aus, von denen man nicht wusste, welchem Zweck sie dienten, die aber auf dem freien Markt ungeheure Preise erzielten.
    Versunkene Städte bergen immer Geheimnisse, die sich versilbern lassen, dachte Ygoor. Was hatte Tante Nadia gesagt? Yossif hatte in der namenlosen Stadt Gelehrte angesiedelt, um Waffen zu entwickeln, die sein Reich unbesiegbar machen sollten?
    Waffen. Ein Grinsen umspielte seine Lippen. Wenn man in diesen Zeiten mit etwas schnell reich werden konnte, dann mit dem Verkauf von Waffen. Und er hatte große Lust, schnell reich zu werden. Es wäre ihm eigentlich schon recht gewesen, wenigstens schuldenfrei zu sein, denn er stand bei einigen Leuten in der Kreide, die ihn fast täglich mahnten. Was für ein Fest wäre es gewesen, diesen Geiern einen Haufen Goldmünzen vor die Füße zu werfen und ihnen zuzuschauen, wenn sie sie aufklaubten!
    Waffen. Und ein Trank, der alle Krankheiten bannt und die Lebenszeit vervielfacht.
    Eine merkwürdige Erregung ergriff Ygoor. Er eilte lautlos die Treppe hinab und begab sich in sein karg möbliertes Gemach. Dort ging er aufgeregt hin und her, warf Blicke aus dem Fenster und dachte nach.
    Außer Tante Nadia, Urla und dem Gelehrten wusste niemand von der namenlosen Stadt. Wenn Urla sich allein den Kolyma hinauf in die Wildnis aufmachte, brauchte man sie nur zu verfolgen. Und ihr den Hals umzudrehen, wenn sie die Stadt gefunden hatte…
    Ygoor schüttelte sich bei der Vorstellung, einen Menschen zu töten, auch wenn Urla, die ihn immer wieder abwies, gewiss den Tod verdient hatte. Doch einen Mord konnte er persönlich nicht begehen…
    Sein Blick wanderte über die niedrigen Quaderbauten des Hafenviertels. Dort hausten Schlagetots, die für ein Säckchen Gold die perfidesten Dinge taten. Ygoor kannte einige dieser Leute vom Spieltisch. Er brauchte sie eigentlich nur…
    Vor der Tür der Kammer ertönten Schritte. Er kannte den Rhythmus. Urla. Sie verließ den Turm. Kurz darauf fiel die Eingangstür ins Schloss.
    Die Zeit drängt. Nehmen wir’s in Angriff. Ygoor gab sich einen Stoß. Er griff nach dem grauen Umhang, der an einem Nagel an der Innenseite der Kammertür hing, schwang ihn um seine Schultern und setzte seinen mit einer weißen Feder verzierten Schlapphut auf.
    Eine Minute später verließ auch er das Haus seiner Tante und eilte zum Wasser hin. Der Wind hatte ein wenig nachgelassen, sodass er sich nicht allzu angestrengt gegen ihn stemmen musste.
    Von Urla war keine Spur zu sehen. Ygoor atmete auf. Nur wenige Menschen waren unterwegs, denn Mitternacht war nur noch eine Stunde entfernt. Rechts von ihm, hinter den Dächern des Wohnviertels, schwebte der silberne Ballon, mit dem der verrückte Pofski den Luftraum erobern wollte. Armer Irrer.
    Als Ygoors Blick auf das Wasser fiel, sah er in der Ferne den schlanken Dreimaster Wanja. Er kam schwer mit Fracht und Passagieren beladen aus dem Westen zurück.
    ***
    Der Wind hatte sich gelegt. Die See schillerte friedlich im Licht der Sterne.
    Der Mann am Bug schaute nach vorn, wo das Festland langsam hinter dem sich auflösenden Dunstgewaber sichtbar wurde. Er war groß und muskulös, hatte kurz geschorenes, dunkelblondes Haar und war in einen schwarzen Umhang gehüllt. Die nach hinten geschobene Kapuze enthüllte ein kantiges Gesicht. Der Name des Mannes war Mr. Black. Er hatte Länder gesehen, von denen die anderen Passagiere nicht mal den Namen kannten, und gegen Lebewesen gekämpft, die hier nicht mal Mythen waren.
    Unter dem Umhang trug er eine Strogoff – eine pistolengroße MPi, deren Stangenmagazin zwanzig Schuss enthielt. Man konnte sie wahlweise mit Betäubungspfeilen oder 9-mm-Kugeln laden.
    Die Strogoff war nicht Blacks ganze Ausrüstung. Zwar konnte er sich nach über einem Jahr in Moskau recht passabel in Russki verständigen, aber er hatte auch einen Neuronalen Übersetzungscomputer dabei, der bekannte Sprachen dolmetschte und unbekannte entschlüsselte, was die Kommunikation mit Fremden sehr vereinfachte. Zur Verständigung mit seinen Verbündeten in Britana diente ihm das Funkgerät, das die um die Erde kreisende ISS als Relaisstation nutzte. Vorausgesetzt, sie befand sich über dem Horizont…
    Black erinnerte sich noch sehr gut an den Tag, an dem er in seinem Quartier in Moska einen Funkspruch aus Landán empfangen hatte.
    Monströse Geschöpfe, die wahrscheinlich im Dienst der Daa’muren standen – die Londoner Community nannte sie Wechselwesen – waren vor einigen Wochen in die Bunker der

Weitere Kostenlose Bücher