1410 - Mallmanns Blut-Bräute
sich zu wehren. Zwei Hände jedoch legten sich um seinen Kopf und drehten ihn so, dass die linke Seite frei lag. Er hörte das Reißen oder Knacken in seinem Hals, als etwas mit seiner Sehne geschah.
Das Letzte, das er richtig wahrnahm, waren die drei Gesichter mit den aufgerissenen Mäulern über ihm und auch die sechs verdammten Vampirzähne.
Dann bissen sie zu…
***
Justine Cavallo war auf dem Rückweg. Sie machte sich keine Gedanken darüber, ob sie sich richtig verhalten hatte. Mallmanns Befindlichkeiten interessierten sie nicht. Sie hatte sich vorgenommen, ihren Weg zu gehen, und den hielt sie ein.
Mallmann wollte sie wieder mit einbinden, aber der blonden Bestie gefiel die Vampirwelt nicht, in der es nur die Dunkelheit gab. Sie hatte sich in der Welt der Menschen integriert.
Ob sie sich hin und wieder auf die Seite derjenigen stellte, die eigentlich ihre Feinde sein mussten, das machte ihr auch nicht viel aus. Manchmal heiligte der Zweck die Mittel, und Justine Cavallo zählte sich eben zu der neuen Generation der Blutsauger, die alte Traditionen über Bord geworfen hatten.
Vielleicht hätte sich jemand wie Mallmann auch dazu durchringen sollen, doch er hatte es nicht getan, hatte die Zeit verpasst und hing noch an seinen alten Zöpfen fest. Obwohl er sich wieder in seine neue alte Vampirwelt zurückgezogen hatte, glaubte Justine daran, dass seine große Zeit vorbei war.
Inzwischen hatte die Dunkelheit des Abends den Tag abgelöst.
Weil sich der Nebel nicht zurückgezogen hatte, war die Sicht noch schlechter geworden, und da brachte auch das Licht des Scheinwerfers nicht viel. Der Strahl tanzte im Rhythmus des Fahrzeugs, sodass sie ab und zu ein winziges Stück der Umgebung sah, aber das war auch alles.
Für Justine war es wichtig, dass sie die Richtung beibehielt. Auch der Nabel würde sie nicht daran hindern können, ihr Ziel zu erreichen.
Den Ort Tegryn ahnte sie mehr, als dass sie ihn sah. Sie sah die Helligkeit der Lampen als verschwommene Flecken inmitten der grauen Wand, die einfach nicht abreißen wollte. Der Zufall stand auf ihrer Seite, denn plötzlich fand sie den Weg wieder, der nach Tegryn führte.
Alles lief gut für sie. Sie wusste auch, auf was sie sich einstellen musste, denn Mallmann hatte seine Blutbräute nicht grundlos in dieses einsame Dorf geschickt.
Warum er sich gerade Tegryn ausgesucht hatte, darüber konnte sie nur spekulieren. Vielleicht weil hier alles für das Trio begonnen hatte. Doch die Gründe interessierten Justine im Prinzip nicht, denn sie wollte nur ihre Rache und damit auch ihre Ehre wieder herstellen.
Mallmann würde seinen Bräuten natürlich erklären, wer sich in der Nähe aufhielt, und die Drei gehörten jetzt zu Mallmann und würden weitermachen.
Justines Ziel war der Bahnhofs-Pub. Sie wollte nicht nur die Maschine zurückgeben, sondern auch mit dem Wirt reden. Er war ein Insider. Er kannte sich im Ort aus, und er würde ihr wichtige Informationen geben können. Es war immer gut, wenn man ein Gelände kannte, das zu einer Kampfzone werden würde.
Da die Station außerhalb lag, brauchte sie nicht nach Tegryn hineinzufahren. Sie überquerte eine kleine Holzbrücke, die einen schmalen Bach überspannte, und entdeckte schon bald die Gleise, die sich durch die Landschaft zogen. Der Nebel hatte sie nass werden lassen, und so glänzte sie wie eingeölt.
Sie sah die einsamen Lichter am Bahnhof, und es dauerte nicht mal zwei Minuten, bis sie ihr Ziel erreicht hatte. Da sie wusste, wo das Motorrad gestanden hatte, fuhr sie dort wieder hin und stellte es an der Hausmauer ab.
Justine gehörte zu den vorsichtigen Wesen. Sie lief noch nicht in den Pub hinein. Sie blieb stehen und lauschte.
Dank ihres ausgezeichneten Gehörs war sie in der Lage, auch leiseste Geräusche zu vernehmen. In diesem Fall aber vernahm sie nichts. Die Stille um sie herum blieb dicht wie ein Umhang, aber das beruhigte sie trotzdem nicht. Dazu war Justine einfach zu misstrauisch. Eigentlich traute sie nur sich selbst, und auch das aus den Fenstern fallende weiche Licht machte es nicht besser.
Sie bog um die Hausecke. Schleichend wie eine Katze, die in der Nacht Mäuse jagt.
Der erste Blick glitt an der Vorderseite des Pubs entlang. Da war keine Bewegung zu sehen, nur der Nebel lag dort wie ein dichter grauer Schwamm, der das Licht der wenigen Signallampen schluckte.
Und doch hatte sie sich nicht geirrt!
Wäre Justine Cavallo ein normaler Mensch gewesen, dann hätte in diesen
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