1410 - Mallmanns Blut-Bräute
dass seine Eltern von dem Telefongespräch nichts mitbekommen hatten, denn sie hätten ihn auf keinen Fall ziehen lassen.
Linus schlich wieder zurück in sein Zimmer. Er schloss auch leise die Tür und überlegte, was er tun sollte. Seine große Euphorie war verschwunden, aber die Neugierde war nicht gestillt. Das Erlebnis mit der Frau ging ihm nicht aus dem Sinn, und als er zwischen Bett und Schreibtisch stand, ließ er seinen Blick über das mit Büchern vollgestopfte Regal schweifen.
Da standen all die unheimlichen Geschichten über die Schattenwesen der Nacht, aber auch die richtigen Horrorromane, in denen das Blut kübelweise floss. Nur hatte er die Literatur in die zweite Reihe verbannt. Die Bücher brauchten seine Eltern nicht unbedingt zu entdecken.
Gehen oder nicht?
Er dachte an die oft noch jugendlichen Helden in seinen Büchern und traf schnell eine Entscheidung. Er wollte vor sich selbst nicht feige sein und entschied sich, das Haus zu verlassen. Nur nicht auf dem normalen Weg, sondern durch das Fenster. Sein Zimmer lag unten in einem kleinen Anbau des alten Hauses. Vom Fenster aus konnte er direkt in den Garten gelangen, was für ihn natürlich ideal war.
Das Fenster drückte er hinter sich wieder zu, aber so, dass es sich von außen her öffnen ließ.
Der Nebel war auf seiner Seite. So konnte Linus ungesehen durch den Ort schleichen. Es kam ihm dabei zu Gute, dass er Tegryn kannte wie sein eigenes Zimmer. Es gab keinen Flecken, an dem er noch nicht gewesen war, einschließlich des alten Friedhofs und auch der ebenfalls alten Leichenhalle, vor der er sich eigentlich immer gefürchtet hatte…
***
Auch jetzt erschrak Justine Cavallo nicht. Es gab so gut wie keine menschlichen Reaktionen bei ihr. Sie nickte sogar, als hätte sie nichts anderes erwartet. Sie konnte sich auch denken, wer dieser Mensch war, doch sie musste Gewissheit haben und ging deshalb näher. Da ihr die Gestalt bisher den Rücken zugedreht hatte, musste sie um sie herumgehen, und trotz der schlechten Sicht sah sie, wer dort hing, und sie sah sich in ihrer Annahme bestätigt.
Es war tatsächlich der Wirt, der in der Schlinge baumelte und sich leicht bewegte.
Um Justines Mund huschte ein Lächeln. Sie dachte an Mallmanns Worte, der sich sehr stark für seine Bräute eingesetzt hatte, und sie schienen ihn nicht enttäuschen zu wollen.
Der Wirt war ihr erstes Opfer geworden!
Er hing an diesem Außenschild, das von der Wand abstand. Zwar bog sich die Eisenstange durch, doch sie war in der Lage, das Gewicht noch zu halten.
Justine musste sich entscheiden. Sollte sie den Mann hängen lassen oder die Leiche abnehmen. Sie entscheid sich dafür, ihn abzunehmen. Erst mal alles Aufsehen vermeiden. Es konnte sein, dass noch ein Spätzug hier stoppte, und sie wollte nicht, dass der Mann gesehen wurde.
Man hatte um seinen Hals keine perfekt geknöpfte Schlinge gelegt.
Wäre das der Fall gewesen, hätte Justine ihn nicht so leicht abnehmen können. So drückte sie den starren Körper hoch, bewegte ihn ein wenig nach rechts und links, und derart schaffte sie es, ihn aus der Schlinge zu lösen.
Er fiel ihr entgegen, und sie fing ihn so locker auf, als hätte er kein Gewicht.
Mit ihrer Last betrat Justine den Pub und überlegte, wo sie den Toten ablegen konnte. Er hätte auf einem der Tische Platz gehabt, doch sie entschied sich dagegen und drapierte ihn auf den Boden.
Danach schloss sie die Tür und schaute sich um.
Es hatte sich nichts verändert. Es gab nichts, was ihr verdächtig vorgekommen wäre, und auch von den Tätern war keine Spur zu entdecken. Allerdings nahm sich Justine vor, die Leiche genauer zu untersuchen, weil sie wissen wollte, wie der Wirt ums Leben gekommen war. Zunächst aber wollte sie feststellen, ob sie allein im Haus war.
Justine ging hinter den Tresen, denn dort hatte sie eine Tür entdeckt. Sie schob sie zur Seite, betrat eine kleine Küche, die nicht eben modern eingerichtete war, und entdeckte eine zweite Tür. Dahinter lag ein schmaler Flur, der durch gestapelte Kartons und Kisten noch enger gemacht worden war. Das Zeug interessierte sie nicht, denn viel wichtiger war die schmale, nach oben führende Treppe.
Leise ging die Blutsaugerin die alten Stufen hoch. Sie hatte dabei ihren Kopf leicht in den Nacken gedrückt, so konnte sie in die Höhe schauen.
Es war nichts zu hören und auch nichts zu sehen. Sie ließ die Treppe hinter sich und gelangte erneut in einen Flur. Hier befand sich die Wohnung des
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