1411 - Vampirehre
Stöhnen zu mir herüber, aber sie gab keinen Kommentar ab. Stumm schauten wir beide uns an, was mit diesem Toten passiert war.
Eine Leiche, deren Kopf nicht am Körper hing. Verdammt noch mal, was war hier passiert?
Klar, man hatte ihn abgetrennt, aber dafür musste es einen Grund geben. Man löste den Kopf eines Menschen nicht so ohne Weiteres vom Körper. Wer das tat, der musste von einem wahnsinnigen Hass geleitet worden sein.
Alles an diesem Toten war starr. Und so ließ sich auch der Mund nicht mehr schließen. Jane hatte wohl den gleichen Gedanken verfolgt, denn sie flüsterte: »Zähne sind ihm noch nicht gewachsen – oder sie sind wieder verschwunden.«
Ich nickte, beschäftigte mich allerdings mit dem Hals und musste den Kopf etwas drehen, um die linke Halsseite besser erkennen zu können. Meine Hand hatte sich noch nicht richtig gelöst, als ich bereits erkennte, was da passiert war.
Mehrere dunkle Flecken stachen mir ins Auge. Ich fühlte darüber hinweg und spürte die leichten Erhebungen, wobei ich nicht umhin kam, Jane zuzunicken, die sofort begriff.
»Ist er ein Vam…«
»Er war es, Jane. Schau selbst nach.«
Sie beugte sich tiefer und zuckte sehr schnell wieder hoch. »Du hast Recht.«
»Leider.«
»Ist das die erste Spur zu Justine?«
Ich war skeptisch. »Ist weiß es nicht, ob wir Justine die Schuld in die Schuhe schieben können.«
»Aber der Beweis ist…«
»Nicht so gut«, vollendete ich ihren Satz, der sich sicherlich aus ihrem Munde anders angehört hätte. Über den Sarg hinweg blickte ich die Detektivin an. »Wir kennen Justine. Ein Biss, und die Sache ist erledigt. Aber hier zeichnen sich drei Bissstellen ab, und ich glaube nicht, dass unsere Freundin das nötig hat. Dazu ist sie zu sehr Profi. Hier hat man drei Mal zugebissen, und das ist eine verdammte Tatsache. Deshalb können wir davon ausgehen – oder müssen es sogar –, dass wir es mit mehreren Vampiren zu tun haben.«
Jane sagte zunächst mal nichts. Erst nach einer kleinen Pause meinte sie: »Verdammt, das ist eine Überraschung.«
»Und ob.«
»Dann frage ich mich nur, wer diesem Wirt den Kopf abgeschnitten hat. Kennst du die Antwort?«
Ich wusste, worauf Jane hinauswollte. »Könnte es Justine gewesen sein?«
»Wenn ja, dann muss sie einen verdammten Grund gehabt haben.«
Das traf wohl zu. Ich überlegte nur kurz und sagte dann mit leiser Stimme: »Wenn das alles zutrifft, müssen wir davon ausgehen, dass Justine hier einen Kampf auszufechten hat. Und zwar gegen ihre eigene Brut, du verstehst?«
»Sie als Retter der Einwohner hier?« Jane zuckte mit den Schultern. »Hört sich komisch an.«
»Stimmt. Nur kennen wir ihre Pläne und Motive nicht. Da läuft einiges nicht so gerade, denke ich.«
»Zumindest können wir davon ausgehen, dass dieser Typ hier kein Blut mehr aussaugen wird. Jetzt müssen wir weitersehen.«
»Genau. Ich weiß auch, wen wir fragen können.«
»Calham.«
»Klar.«
»Dann komm, John.« Sie verzog das Gesicht. »Ich kann mir angenehmere Orte vorstellen.«
Das konnte ich mir auch, und deshalb verließen wir das kleine Leichenhaus. Die anderen Besucher waren schon gegangen. Wir hatten es nicht mitbekommen.
Vor der Tür wartete der Constabler. Sonst war niemand zu sehen.
Auch Calham machte den Eindruck eines Menschen, der am liebsten die Flucht ergriffen hätte.
»Nun, haben Sie alles gesehen?«
Ich nickte.
»Was sagen Sie?«
»Zunächst nicht viel, Mr. Calham. Aber hier ist etwas passiert, für das es eine Erklärung gibt. Nur ist die verdammt schwer zu begreifen, denke ich mal.«
»Da sprechen Sie mir aus dem Herzen.«
»Haben Sie die Bissmale am Hals gesehen?«, fragte ich.
Der Constabler holte tief Luft und schloss dabei die Augen. Dann flüsterte: »Ja, das habe ich.«
»Und könnten Sie sich eine Erklärung vorstellen?«
Er kaute auf seiner Unterlippe herum und sagte erst mal nichts.
Bis er die Schultern hob und flüsterte: »Es ist egal, alle hier im Ort sind meiner Meinung, und wir haben auch einen Beweis. Man hat ihm das Blut ausgesaugt. Das weist auf Vampire hin. Ich habe sie nicht gesehen, aber es gibt trotzdem einen Zeugen. Man hat dem Wirt auch das Herz aus dem Körper geschnitten, und ich kenne Menschen, denen das in der Theorie nicht fremd ist. Vor Jahren haben wir etwas Ähnliches hier erlebt, da fanden wir am nahen See auch einen Menschen, der tot war und dem man das Herz aus dem Körper geschnitten hat. Jetzt wieder.« Er stöhnte leise und wischte
Weitere Kostenlose Bücher