1417 - Der Würgeengel
aus, dass er auf der Lauer liegt und auf seine Chance wartet.«
»Dann weiß er sicherlich auch, dass wir hier im Haus sind.«
»Bestimmt.«
»Was ist mit deinem Kreuz?«
Ich winkte ab. »Es hat sich nicht gemeldet, wenn du das meinst.«
Ich dachte an die vier Erzengel, die ihre Zeichen an den Enden des Kreuzes hinterlassen hatten, aber das alles war jetzt nicht so wichtig.
Was steckte hinter diesem Würgeengel? Wo kam er her? Aus welcher der vielen Welten? Das waren Fragen, auf die ich leider keine Antwort wusste, aber ich würde sie bekommen, das stand fest. Mit einer sehr schwachen Bewegung drehte ich mich um. Suko saß auf dem Bett. Er war in sich selbst versunken und hielt die Augen geschlossen. Dass er eingeschlafen war, das stimmte nicht. Er war nur dabei, sich zu entspannen. Das hätte ich auch gern gekonnt, aber ich bekam die Unruhe in mir einfach nicht weg. Mich störte in diesem Fall einfach zu viel. Gewisse Dinge liefen verkehrt. Ich mochte es nicht, wenn Engel mordeten, aber in diesem Fall traf es zu. Genau das musste gestoppt werden.
Das Haus war groß. Bestückt mit Etagen und Zimmern, in denen alte Menschen lebten. Sie alle würden irgendwann mal die perfekte Beute für den Würgeengel werden, und keiner war da, der es so schnell merkte. Genau das ärgerte mich ebenfalls. Ich wusste nicht, wie viele alte Menschen der Engel schon auf dem Gewissen hatte, denn hier konnte er sich austoben. Zudem besaß er eine perfekte Helferin, wenn ich der Cerny das mal unterstellte, denn einen hundertprozentigen Beweis hatte ich dafür nicht bekommen. Nur war mir nicht klar, was sie davon hatte. Was hatte man ihr letztendlich versprochen?
Suko merkte, wie mir innerlich zu Mute war. »Hör auf zu grübeln«, sagte er.
Ich lachte ihn an. »Du hast gut reden. Ich kann nicht anders. Da müsste ich schon über meinen eigenen Schatten springen, und das mach mir mal vor.«
»Lieber nicht.«
»Aber«, fuhr ich fort, »zu lange will ich nicht warten. Wenn Hassan nicht bald auftaucht, werden wir uns auf den Weg machen und das Haus unter die Lupe nehmen.«
»Wie du willst.« Suko erhob sich. »Wie lange willst du ihm noch geben?«
»Das weiß ich nicht genau. Ich denke, dass eine Viertelstunde ausreichen muss.«
Der Ansicht war Suko ebenfalls. Nur brauchten wir keine Viertelstunde mehr zu warten, denn für uns überraschend wurde die Tür heftig, wenn auch leise aufgestoßen.
Hassan huschte ins Zimmer. Er war ziemlich außer Atem, als wäre er lange gelaufen.
»Und?«, fragte ich. »Was haben Sie erfahren?«
Er musste zur Ruhe kommen und sein Gesicht vom Schweiß befreien. Beim Sprechen danach wurden seine Sätze noch immer von heftigen Atemzügen unterbrochen.
»Ich habe ihn nicht gesehen.«
»Was heißt das?«, fragte Suko.
»Er ist nicht mehr da.«
»Wie? Wo?«
»In seinem Zimmer.«
»Und weiter?«
»Da steht auch kein Rollstuhl mehr.«
Suko und ich schauten uns an. Einen Kommentar abgeben konnten wir nicht. Das Verschwinden des alten Mannes konnte eine völlig normale Ursache haben. Nur seltsam, dass ich daran nicht glaubte. Da sprach einfach mein Gefühl dagegen.
»Können Sie genauer erklären, was Ihnen so große Probleme bereitet?«, fragte ich.
»Eine innere Furcht. Ich habe auch die Cerny nicht gesehen. Deshalb gehe ich davon aus, dass sie unter Umständen was mit dem Verschwinden zu tun hat. Das muss nicht so sein, aber ich will es auch nicht ausschließen. Sie verstehen?«
Klar, wir verstanden, aber das brachte uns keinen Schritt weiter.
Wir mussten Genaueres wissen, und dabei konnte uns eigentlich nur der Gärtner helfen.
»Hören Sie, Hassan. Wenn wir davon ausgehen, dass Eugen Roberts verschwunden ist und in wenigen Minuten mal kein Leichenwagen vor der Tür steht, weil dies auffallen würde, muss man sich die Frage stellen, wo man den alten Mann am besten für eine Weile verschwinden lassen kann. Vielleicht bis zum nächsten oder übernächsten Tag. Wenn dann wieder ein Leichenwagen hier erscheint, fällt es nicht so auf.«
Der Gärtner kapierte schnell. »Sie reden bestimmt von einem Versteck, Mr. Sinclair.«
»Genau davon spreche ich.«
»Hier?« Er deutete noch zu Boden.
»Wo sonst?«
Hassan überlegte. Er blies dabei seine Wangen auf, schob auch die Unterlippe vor und sagte schließlich mit leiser Stimme, wobei er zu Boden schaute, als wäre ihm die Antwort nicht recht. »Ich kann mir nur einen Ort vorstellen.«
»Welchen?«
»Den Keller.«
»Bitte?«
»Ja, Mr. Sinclair,
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