1417 - Der Würgeengel
Ruhestätte gefunden hatte. Der Himmel zeigte an diesem Tag ebenfalls sein Trauerkleid, denn er hatte den grauen Vorhang aus Wolken über London gelegt.
Bis auf Justine Cavallo gingen alle mit. Die Conollys, Suko und Shao, Jane Collins, auch Sir James hatte es sich nicht nehmen lassen, uns zu begleiten.
Die Staatsanwältin Purdy Prentiss wäre ebenfalls gern mit dabei gewesen, aber sie war dienstlich verhindert und musste in eine andere Stadt. So war es eine recht kleine Gruppe, die dem Sarg folgte, und wir alle waren verdammt traurig und schämten uns unserer Tränen nicht, als der Sarg in die Erde gelassen wurde.
Ein Geistlicher war mit uns gekommen. Er sprach einige Worte, die ich ihm aufgeschrieben hatte. So wurde über einen Mann gesprochen, der sein Leben auf seine Weise dem Guten gewidmet hatte. Meine Freunde hatten nichts dagegen gehabt, dass ich sein Erbe übernahm.
Es war der Pfahl, und es war auch das Vampirpendel. Beides würde in meiner Wohnung eine neue Heimat finden.
Der Reihe nach traten wir an das Grab heran. Ich hielt mich bis zum Schluss fern.
Glenda Perkins war ebenfalls dabei. Sie stand dicht in meiner Nähe. Sie sah auch, wie mir zu Mute war und versuchte, mir Trost zu spenden.
»Du brauchst dir keine Vorwürfe zu machen, John. Du hast das einzig Richtige getan. Marek hätte als Blutsauger bestimmt fürchterlich gewütet. So hast du vielen Menschen das Leben gerettet.«
»Mag sein«, gab ich zu. »Aber es ist trotzdem verdammt hart, das kannst du mir glauben.«
»Sicher.«
Ich wischte über meine Augen und hob den Blick. Glenda war bereits am offenen Grab gewesen. Eine gelbe Rose lag noch auf dem Kissen. Sie gehörte mir.
Wie ich mich fühlte, als ich die Rose nahm, kann ich nicht beschreiben. Ich ging dann die letzten Schritte und trat auf einen der Holzbalken, die das Grab umgaben.
Auf dem Lehmhügel lagen unsere Kränze mit den letzten Grüßen an einen treuen Freund, auf den wir uns immer wieder hatten verlassen können. Selbst in der ausweglosesten Situation.
Ich schaute auf den Sarg.
Vieles durchlief meinen Kopf. Es war mir immer noch unvorstellbar, dass der Pfähler unter dem Deckel liegen sollte, aber ich musste mich mit den Tatsachen abfinden.
Die Kehle war trocken. Die Augen feucht, und irgendwo hing auch ein dicker Kloß.
Ich warf die Rose aus meinen zitternden Händen nach unten und sah, wie sie aufschlug. Sie blieb mitten auf dem Deckel liegen. Dabei hatte ich das Gefühl, von einem Hauch aus dem Jenseits getroffen zu werden, der mich irgendwie trösten sollte.
»Mach’s gut, Pfähler!«, flüsterte ich. »Irgendwann und irgendwo sehen wir uns wieder…«
Mehr brachte ich nicht hervor. Ich drehte mich um und ging weg, ohne mich um die anderen zu kümmern. Ich wollte einfach allein sein, fand eine Bank, ließ mich dort nieder und überließ mich dabei meinen eigenen Gedanken und Empfindungen.
Später bekam ich Besuch. Bill Conolly und Suko setzten sich rechts und links neben mich.
»Na, was wollt ihr denn?«
»Dich holen«, sagte Bill.
»Warum denn?«
Suko antwortete: »Weil der Job wartet, John, und weil es weitergehen muss.«
Es waren die Worte, die ich gebraucht hatte. »Ja«, flüsterte ich.
»Das Leben geht weiter. So oder so…«
Gemeinsam standen wir auf und verließen das Feld der Toten…
ENDE
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