1417 - Der Würgeengel
jeder Stelle der Haut, und er war nicht mehr in der Lage, sich davon zu befreien.
Die Kälte drückte zu. So zumindest dachte er. Tatsächlich waren es die Klauen des Würgeengels, die ihm nicht den Hauch einer Chance ließen. Sie pressten seine Kehle zusammen und nahmen ihm jegliche Möglichkeit, nach Luft zu schnappen.
Es ist aus!
Mehr brachten seine Gedanken nicht mehr zustande. Den Rest erlebte er in einem Zustand, der dem Tod näher war als dem Leben.
Noch einmal riss es ihn aus seiner Lethargie hervor, als er mit dem Rücken auf den Boden schlug.
Da ging ein Ruck durch seinen Körper. Er riss die Augen noch mal so weit wie möglich auf, und er sah über sich das ›Gesicht‹ seines Mörders. Er befand sich bereits auf dem Weg in die andere Welt und glaubte, in dem Gesicht des Würgeengels noch ein anderes zu erkennen.
Eine Sekunde später drang ein letztes Röcheln aus seinem Mund.
Danach hörten seine Bewegungen auf, und der Körper des alten Mannes erschlaffte.
Der Würgeengel aber hatte sein nächstes Opfer gefunden…
***
War es der Spaß, dabei zuzuschauen, wie andere Menschen getötet wurden, was den Blick der Heimleiterin in ein Funkeln verwandelte?
Es kam einfach über sie, und sie freute sich deshalb, weil sie wusste, dass der Engel durch den Tod des Menschen wieder mal an Stärke gewonnen hatte.
Er ließ seine ›Klauen‹ nicht lange am Hals des alten Mannes. Er wollte nur sicher gehen, dass der Mensch nicht mehr lebte. Danach blieb er über ihm liegen und senkte den Kopf dem Gesicht der Gestalt entgegen, deren Mund noch immer offen stand.
So konnte der Engel die Seele des Opfers aufsaugen.
Auf die Zuschauerin wirkte es wie eine Mund-zu-Mund-Beatmung, und sie ließ den Engel gern gewähren.
Er erhob sich nach einer Weile. Die Gestalt war nicht feststofflich geworden. Nach wie vor zuckte es in ihrem Innern, aber sie kam der Cerny stärker vor. Es war nur ein Gefühl, nicht mehr. Vielleicht hatte sich sein Inneres auch verdichtet, so genau wusste sie nicht darüber Bescheid, der Engel jedenfalls war zufrieden.
Er drehte sich leicht auf der Stelle und schwenkte auf die Heimleiterin zu.
Elaine Cerny wusste, was nun folgte. Sie schloss die Augen, denn nur so konnte sie die Berührung am besten genießen. Die Kälte blieb auch jetzt bestehen, was sie nicht als tragisch empfand. Es gab sogar ein Gefühl des Glücks, das sie durchströmte. Erst als der Kälteschauer verschwunden war, öffnete sie die Augen wieder und war froh darüber, in die normale Welt schauen zu können.
Den Würgeengel sah sie nicht mehr. Er hatte sich wieder auf den Weg gemacht, denn für ihn war es wichtig, seine Welt zu besuchen.
Alles andere würde sich zeigen.
Die Heimleiterin brauchte eine gewisse Zeit, um sich wieder in der normalen Umgebung zurechtzufinden. Sie befand sich allein mit einem toten Greis.
Der Mann lag auf dem Rücken, den Mund wie zum letzten Schrei geöffnet, doch aus dieser Kehle würde kein Laut mehr hervordringen.
Die Augen waren ebenfalls nicht geschlossen. Die Pupillen in ihnen wirkten wie Glasperlen. Die Haltung der Arme fiel ebenfalls auf. Der Tote hatte sie halb erhoben, die Hände gespreizt, und es sah so aus, als wollte er noch jemand würgen.
Die Beine hatte er ebenfalls angezogen, und in dieser Haltung war er erstarrt. Aber darum kümmerte sich die Heimleiterin nicht. Sie schaute sich den Hals näher an.
Die Würgemale waren noch zu sehen. Allerdings recht schwach.
In wenigen Minuten würden sie verschwunden sein. Da würde niemand mehr Verdacht schöpfen.
Wohin mit dem Toten?
Darüber hatte sich Elaine Cerny bisher keine Gedanken gemacht, aber es wurde Zeit, dass sie es tat. Es gab nur eine Möglichkeit. Wieder das Beerdigungsinstitut anrufen, um den Leichenwagen zu bestellen, das wäre nicht gut gewesen. Zwei Tote an einem Tag? Nein, da wollte sie kein Risiko eingehen.
Also gab es nur eine Lösung.
Den Toten wegschaffen!
Die Cerny war eine Person, die sehr schnell einen Plan in die Tat umsetzte. Sie packte zu und hob den steifen Körper des Verstorbenen an. Das bereitete ihr keine Probleme. Auch hier spielte ihre Kraft mit. Sie trug den Körper so, dass sie ihn in den Rollstuhl drapieren konnte. Dann löste sie die Sperre und schob den Stuhl auf die Tür zu. Bevor sie den Raum verließ, schaute sie noch mal nach, ob der Tote auch so fest saß, dass sie ihn fahren konnte.
Das war der Fall. Wenn sie keine Kapriolen bei ihrer Fahrerei beschrieb, würde er sitzen bleiben.
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