142 - Zakum, der dunkle Archivar
„Wieder behielt Coco recht. Das alles wäre nicht so schlimm gewesen, doch ich Dummkopf mußte meinen Triumph so richtig auskosten. Ein böswilliger Geist gab mir die Idee ein, Aufzeichnungen dieser schmachvollen Niederlage Jongs an einflußreiche Sippen zu schicken. Die meisten amüsierten sich königlich darüber, doch die wesentlichen Clans fanden mein Vorgehen entwürdigend. Damit haben sie leider die Situation richtig eingestuft. Die alten Familien strafen mich mit Verachtung, und ich kann es ihnen nicht einmal übel nehmen."
„Nimm dir ein Beispiel an Skarabäus Toth, Herrin", flehte Eric sie an.
„Wie meinst du das?"
„Du bist nahezu unsterblich, Herrin. Du darfst nicht in Monaten und Jahren denken. Ein Jahrhundert ist nicht viel für dich. Toth war schon im zwölften Jahrhundert ein mächtiger Hexer, doch er drängte sich nicht in den Vordergrund, er plante alles sorgfältig, möglicherweise zu sorgfältig, und dann handelte er zu hastig. Er hätte sich noch länger Zeit lassen sollen."
Rebecca blieb stehen und liebkoste den Körper des Monsters auf ihrer Schulter.
„Deine Einstellung beeindruckt mich, Eric. Hinter deinen Worten steckt Weisheit, die ich dir nicht zugetraut hätte. Ein Geduldiger ist besser denn ein Starker. Ich sollte dieses Bibelwort zu meinem Leitspruch machen."
Eric krächzte zufrieden. Für ihn gab es nichts Schöneres als ein Lob von Rebecca.
Einige Minuten genoß er die Liebkosungen seiner angebeteten Herrin, wies sie aber schließlich darauf hin, daß in wenigen Minuten der alte Vampir Nikodemus Thurgau eintreffen würde.
„Gut, daß du mich daran erinnerst, Eric, ihn hatte ich tatsächlich vergessen."
Der schon ein wenig schwächlich gewordene Vampir bewies vor ein paar Monaten einigen Mut, als sie sich vor den Wiener Dämonen aufgespielt hatte und sie alle töten wollte. Er war es gewesen, der als erster freiwillig in den Tod gehen wollte, da er sich an die moderneren Zeiten nicht gewöhnt hatte. Doch sie hatte ihm gnädig das Leben geschenkt, und seither unterhielt sie sich alle paar Wochen mit ihm, obzwar seine Erzählungen meist höchst langweilig waren.
Sie empfing den hageren Vampir im großen Raum, der wie die Haupthalle in einem altägyptischen Herrenhaus aussah.
Der grauhaarige Nikodemus Thurgau verbeugte sich.
„Nimm Platz, mein Freund", sagte Rebecca.
Mühsam hockte er sich auf einer Couch nieder.
„Was darf ich dir anbieten, Niko?"
„Tomatensaft mit einem Schuß Gin, liebreizende Rebecca."
Der alte Knacker hat einen abscheulichen Geschmack, dachte die Vampirin, doch sie erfüllte seinen Wunsch. Zwei Sekunden später stand ein funkelndes Glas vor Thurgau. Für sich selbst wählte sie einen Wachauer Rose.
„Mit welchen Bonmots wirst du mich heute erfreuen, Niko?" fragte sie und bemühte sich, ihre Stimme neugierig klingen zu lassen, was ihr aber nicht gelang.
„Meine herzerfrischenden Geschichten werde ich auf einen späteren Zeitpunkt verschieben müssen. Ich erhielt einige Nachrichten, die mich tief beunruhigen, verehrte Freundin."
Rebeccas bleiches Gesicht war eine Maske, das pechschwarze, in der Mitte gescheitelte Haar fiel locker über ihre Schultern. Das dünne Leinenkleid hob ihre makellosen Formen hervor.
Gleichmütig hob sie das Glas, trank einen Schluck und genoß den Geschmack des Weines.
„Mir droht keine Gefahr", stellte sie fest, und das Glas landete, von unsichtbaren Händen gesteuert, auf dem Tischchen.
„An deiner Stelle wäre ich mir da nicht so sicher. Offensichtlich spürt Luguri bereits den Einfluß des
Sterns der Vernichtung."
„Damit meinst du den Halleyschen Kometen? Ein dummer Aberglaube, nicht mehr."
„Da scheiden sich die Geister. Darüber will ich nicht sprechen. Zakum empfing Ruud Jong, der eine Kampfansage gegen dich und Vigor erwirken wollte, die aber abgelehnt wurde. Nun ist Ruud Jong hinter einem magischen Gegenstand her, mit dem er dich vernichten will."
„Woher stammt deine Information?"
„Du weißt, daß ich dies nicht verrate, Rebecca. Jong sucht nach einer Blutuhr, was immer das auch sein mag."
„Hast du tatsächlich Blutuhr gesagt?" fragte sie entsetzt.
„Ja, so wurde dieser Gegenstand bezeichnet, allerdings kann ich mir darunter nichts vorstellen. Offensichtlich scheinst du jedoch mehr darüber zu wissen."
Das kann man wohl sagen, dachte Rebecca. In den Händen ihrer Feinde wurde die Blutuhr zu einer tödlichen Waffe gegen sie. Toth hatte seinerzeit die Uhr in Asmodis Archiv deponiert,
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