1422 - Mörderischer Muttertag
Zündholz, holte es hervor und scheuerte mit dem Kopf über die Reibfläche.
Eine Flamme entstand, die Taminas Umgebung ausleuchtete und auch die alte Holzbank mit den Kerzen. Sie waren aus einem bestimmten Fett hergestellt. Wenn die Flammen brannten und der Wachs weich wurde, gaben sie einen Geruch ab, den man auch in einer alten Gruft mit einer vermoderten Leiche als Mittelpunkt hätte wahrnehmen können. Dass es so war, freute sie, denn der Tod war für sie kein Schrecken.
Der Reihe nach zündete sie die Kerzen an, und in der Hütte wurde es hell.
Flackerlicht ließ das Innere so aussehen, als wäre alles in Bewegung geraten. Die Kerzen verteilten sich auf zwei Seiten, sodass sich das Licht in der Mitte traf.
Dort befand sich der Kreis.
Er war recht groß, schimmerte in einem dunklen Rot, das aussah wie das Blut eines Menschen oder das eines Tieres. Im Kreis selbst befand sich das Ziel. Es war das, nachdem Tamina in der letzten Zeit so gestrebt hatte, und jetzt, da sie ihre erste Prüfung hinter sich gebracht hatte, ging sie davon aus, dass man sie erhören würde.
Im Kreis war ein Bild von IHM zu sehen.
Die Fratze mit dem dreieckigen Kopf, der am Kinn so spitz zulief.
Die hohe Stirn, die bösen Augen, der starre Mund und die leichten Beulen an der Stirn, das war es, was sie so liebte. Sie hatte nach langem Suchen den Weg zu ihm gefunden, zum Teufel, und sie hatte genau das getan, was von ihr verlangt worden war.
Der erste Schritt in Richtung Hölle lag hinter ihr. Sie hatte ihn getan, und nun war er an der Reihe.
Mit einem langen Schritt trat Tamina in den Kreis hinein. Sie stellte sich in die Mitte des Gesichts, dessen Umrisse leicht erhaben über dem Boden standen.
In alten Büchern hatte sie nachgelesen und sich dann für diese Fratze entschieden. Die Menschen aus dem Mittelalter und auch noch später hatten sich den Teufel so vorgestellt, und genau das hatte ihr so gut gefallen.
Aus Ton hatte sie seine Fratze modelliert. Der Kreis mit der Fratze war für sie so etwas wie ein Altar und zugleich ein Sprungbrett in die Hölle.
Sie blieb auf der Fratze stehen. Unter ihren Füßen spürte sie die Erhebungen, und als sie die Augen schloss, da wusste sie, dass der Teufel oder wer immer es war, in ihrer Nähe lauerte.
Etwa eine Minute lang ließ sie die Atmosphäre auf sich einwirken.
Sie hielt dabei weiterhin die Augen geschlossen, denn nichts und niemand sollte sie ablenken.
Keiner störte sie. Die Stille im Innern der Hütte war mit der in einem Grab zu vergleichen. Auch von außen wurde sie nicht gestört.
So konnte sie sich ganz ihrem neuen Herrn und Meister hingeben.
Tamina Baker blieb im Kreis. Äußerlich sah sie aus wie immer.
Nur im Innern hatte sie sich verändert. Dass sie ihren Mann vor kurzem getötet hatte, war bereits aus ihrem Gedächtnis verschwunden.
Jetzt galt es, den Teufel anzurufen, denn ihm hatte sie sich versprochen.
Würde er sein Versprechen einhalten?
Ohne dass es ihr richtig bewusste wurde, flüsterte sie die Beschwörungsformeln. Sie drehten sich allesamt um den Satan und dessen Reich. Es waren Fürbitten mit schrecklichem Inhalt.
Die Lippen der Frau bewegten sich automatisch. Sie liebte es, mit dem großen Unbekannten und Mächtigen zu reden. Nur so konnte sie ihn herbeiholen, um mit ihm zu kommunizieren.
Tamina stand nicht zum ersten Mal in ihrem Kreis. Sie hatte ihn ja erlebt, sie kannte seine Nähe, obwohl sie ihn nicht körperlich gesehen hatte. Aber sein Geist war da gewesen, und der hatte sie nicht aus seinen Klauen gelassen.
An Wunder hatte sie nie geglaubt. Ein normales Leben hatte vor ihr gelegen. Ein Leben mit Ehemann und drei Kindern. Aber das hatte es für sie nicht alles sein können. Irgendwann war sie an einem Punkt angelangt, an dem es nicht mehr weiterging. Da hatte sie sich etwas Neues suchen müssen.
Während andere Frauen versuchten, wieder zurück in ihren Beruf zu gehen, dachte sie nicht im Traum daran. Sie wollte nicht von einer Langeweile in die andere stürzen.
Über einen Film war sie auf den Satan gekommen. Sie hatte sich vom Exorzismus faszinieren lassen und war durch die Bilder zu der Ansicht gelangt, dass der Satan eine große Macht darstellte, an der sie teilhaben wollte.
Von diesem Zeitpunkt an hatte sie ein neues Hobby gehabt und sich von ihrer Familie immer mehr entfernt. Innerlich, nicht nach außen hin, aber sie hatte das alte Gartenhaus zu ihrem neuen Refugium gemacht, ohne dass ihr Mann etwas bemerkt hatte.
Bei den drei
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