1427 - Todesfallen
Ich gehe mal davon aus, dass er uns zeigen wollte, wie präsent er ist. Er wird möglicherweise alles aus dem Hintergrund beobachten und zuschauen, was sein neues Geschöpf anstellt und ob es in seinem Sinn ist.«
»Dann können wir davon ausgehen, dass es in der nächsten Zeit hier auftaucht.«
Ich warf einen Blick durch das Fenster. Dahinter lauerte bereits das große dunkle Ungeheuer – die Nacht. Die Dämmerung war vertrieben worden, jetzt lagen die Schatten über dem Land und sorgten dafür, dass all die erwachten, die das Licht des Tages scheuten.
Suko fragte mit leiser Stimme: »Gehst du denn davon aus, dass er die Wahrheit gesagt hat?«
»Was brächte ihm eine Lüge?«
»Das stimmt schon. Vielleicht lauert seine neueste Schöpfung schon in der Nähe. Oben auf der ersten Etage habe ich nichts gesehen, aber es gibt ja noch andere Stellen.«
Ich blickte Suko starr an. »Die beiden Frauen«, flüsterte ich. »Es war wohl keine so gute Idee, sie allein zu lassen.«
»Dann sehen wir nach.«
Ich wollte etwas sagen, aber ich erlebte einen anderen Vorgang. Eigentlich hatte ich schon auf ihn gewartet, doch er überraschte mich zu diesem Zeitpunkt trotzdem.
Von meinem Kreuz an der Brust ging ein Wärmestoß aus!
***
Der Vampir warf sich nach vorn. Er wollte nicht, dass ihm sein Opfer entkam. Die Gier nach dem Saft des Menschen steckte tief in ihm.
Er wollte endlich seine Zähne in den warmen Hals schlagen und einen ersten Schluck trinken.
Es gelang ihm nicht. Die Frau warf sich nach vorn aufs offene Fenster zu, und der Verfolger hatte das Pech, seine Bewegungen nicht so richtig koordinieren zu können. Da stand ihm plötzlich die Wanne im Weg, gegen die er prallte.
Die Frau fiel aus dem Fenster.
Der Verfolger griff zu, aber er fasste ins Leere und hatte das Nachsehen.
Er hätte durch das Fenster nach draußen klettern können, aber das wollte er nicht. Es gab ja noch jemanden hier im Bad.
Der ehemalige Polizist drehte sich vom Fenster weg und schaute jetzt in die andere Richtung. Er sah die Tür, und er sah auch die von Dampf gefüllte Duschkabine. Durch die Scheiben sah er nur den Umriss der Person und keine Einzelheiten.
Das Wasser wurde abgestellt!
Gierig wartete er. Er wollte den Schock der Person genießen, wenn sie ihn plötzlich sah. Dazu musste sie erst ihre Höhle verlassen.
Es gab keinen Vorhang, sondern eine richtige Tür. Sie bestand aus zwei Hälften, die gegeneinander geschoben wurden und auch so geöffnet werden konnten.
Die Lücke entstand. Sie war gerade so groß, dass sich Giselle hindurchschieben konnte, ohne eingequetscht zu werden. Das Wasser rann von ihrem Körper. Sie bewegte sich etwas träge und hielt auch die Augen geschlossen, damit keine Flüssigkeit hineinrann oder letzte Seifenreste hineinspülte.
Der Vampir wartete.
Wenn sie seine Uniform sah, würde sie zwar erschrecken, aber nicht entsetzt sein.
Das kam später!
Giselle hatte die Dusche endgültig verlassen. Sie stand davor und fing leicht an zu frieren. Um nach einem Handtuch zu greifen, musste sie die Augen öffnen.
Sie tat es – und sah den Vampir!
Der Blick traf nicht den massigen Körper, sondern das Gesicht.
Die Fratze. Das verzogene Maul und die beiden Zähne!
Ob sie begriff, wer da vor ihr stand, wusste wohl nicht mal sie selbst. Der Anblick jagte ihr nur eine schreckliche Angst ein, und so war ihr Schrei eine automatische Reaktion…
***
Ich ließ das Kreuz nicht mehr vor meiner Brust hängen. Rasch holte ich es hervor, und Suko folgte meinen Bewegungen mit starren Blicken. Es lag auf dem Tisch, und kein Licht funkelte darüber hinweg.
Ich schob es ihm zu.
Er wusste genau, was ich wollte, strich mit den Fingern darüber und nickte.
»Es ist warm.«
»Genau!«
»Mallmann?«
»Ich weiß es nicht.« Mein Blick glitt automatisch zum Fenster. Dahinter bewegte sich nichts. »Es kann auch seine neue Kreatur sein, die sich in der Nähe aufhält.«
Suko stand auf. »Dann werden wir sie suchen.«
Es war ein guter Vorschlag, dem auch ich gefolgt wäre, aber ich kam leider nicht dazu.
Beide wurden wir in unseren Bewegungen gestoppt.
Denn wir hatten gleichzeitig den schrecklichen Angstschrei einer Frau gehört…
***
Giselle konnte nicht anders. Sie musste schreien. Sie kam sich vor wie ein Mensch, der vom Himmel in die Hölle gerissen worden war.
Plötzlich stand sie vor etwas, das sie eigentlich nur als ein Wesen aus einem Albtraum bezeichnen konnte.
Der Schrei hatte selbst den Vampir
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