143 - Rulfan von Coellen
Kämpfern, denen es gelungen war, nach unten in den Bunker zu flüchten. Die Kampfmoral der Bunkerleute schien längst gebrochen zu sein. Wie anders: Sklaven kämpften immer ohne Leidenschaft.
Rulfan knackte den Code des Lifts. Mit Paacival und zwölf Kämpfern fuhr er schließlich in den Bunker hinab.
Sie durchforsteten Raum für Raum. Meistens trafen sie auf Frauen, Halbwüchsige, Kinder und Greise; hundertzwanzig Menschen insgesamt. Niemand leistete nennenswerten Widerstand. Rulfan verteilte die Spritzen. Dabei erfuhr er, dass neununddreißig bewaffnete Männer sich mit einem Anführer, den die Gefangenen Guur oder Herr nannten, in die Kommandozentrale zurückgezogen hatten.
Rulfan wählte einen Greis als Boten aus. »Sag diesem Herrn Guur, dass ich selten eine erfreulichere Nachricht erhalten habe als die vom Tod seiner Mutter«, trug er ihm auf. »Und sage ihm, ich erwarte ihn in den Speiseräumen vor der Großküche.«
Mit dieser Botschaft schickte er ihn in die Bunkerzentrale.
Er ließ seine Kämpfer bei den Marienthalern zurück und befahl ihnen, die Luken zu ihren Räumen zu verriegeln.
Danach machte er sich auf den Weg zur Großküche. Er hatte den Speisesaal gewählt, weil er einen großen Raum für taktisch günstig hielt. Nur Paacival nahm er mit. Vielleicht konnte er dessen PSI-Begabung gegen den zehnfach überlegenen Daa’muren ausspielen.
Im Küchentrakt angekommen, durchforsteten sie jeden noch so kleinen Raum. In einer Kammer hinter einem Kühlhaus fand Rulfan acht hüfthohe Metallflaschen. Früher mochten sie einmal grün gewesen sein, jetzt waren sie verrostet. Vier von ihnen waren über Rohre mit der Rückwand des Kühlhauses verbunden, vier standen frei, waren aber voll.
Voll von was, war die Frage. Rulfan untersuchte sie. Ein Manometer und ein Ventil waren an ihrer Oberseite befestigt.
Er drehte das Ventil auf. Eine eiskalte Flüssigkeit dampfte und spritzte heraus. Flüssigstickstoff, natürlich! Flüssigstickstoff unter Druck und auf mindestens minus zweihundert Grad Celsius heruntergekühlt! Die Marienthaler benutzten ihn als Kühlmittel.
Paacival und Rulfan griffen sich je eine Flasche und trugen sie in den Speisesaal. Eine legten sie in eine kleine Durchreiche zwischen Küche und Speisesaal. Rulfan erklärte dem Grandlord, was er zu tun hatte. Danach versteckte Paacival sich in der Küche vor der Durchreiche. Die Klappe davor zogen sie herunter.
Rulfan rollte seine Flasche von der Durchreiche weg und an der Wand entlang fünf Schritte weiter und stellte sie zwischen zwei Tischreihen. Das Ventil richtete er auf Tür. Von dort, so hoffte er, würde der Daa’muren kommen. Auf dem Weg zu seiner Beute, zu Rulfan, musste er zwangsläufig die Durchreiche passieren. Rulfan zog seine Weste aus und deckte die ein Stück über die Tischhöhe hinausragende Flasche damit ab. Seinen Strahler legte er auf einen Stuhl, sein Schwert zog er blank. Das Warten begann. Nach etwa zwanzig Minuten öffnete sich die Doppeltür des Speisesaals. Ein mittelgroßer Mann mit langem, rötlichen Haar trat ein.
»Du kommst tatsächlich allein?«, rief Rulfan ihm entgegen.
»So viel Mut hätte ich dir nicht zugetraut!« Er rief gegen seine Angst an, und um den anderen abzulenken.
Der war unbewaffnet bis auf eine Eisenstange. Sein kantiges Gesicht wirkte jung, er trug einen langen Mantel aus grobem, braunen Stoff, darunter Kniehosen und eine Weste aus schwarzem Leder. »Du kommst mit einem Prügel zu mir? Willst du mich totschlagen wie einen tollwütigen Rottmard? Verfluchte Bestie!«
Dem anderen glitt der Mantel von den Schultern.
»Deinesgleichen hat meine Mutter totgeschlagen. Jedem aus dem inneren Zirkel um Mefju’drex will ich in die Augen sehen, während sein Leben erlischt. Dir zuerst.«
»Wie? Ihr kennt Gefühle wie Rache? Ich dachte, ihr besteht nur aus Verstand und Berechnung. Kennt ihr am Ende also auch Liebe?«
Rulfans Stimme hallte durch den Saal. Der Daa’mure hob die Eisenstange und beschleunigte seinen Schritt. Schuppen überzogen plötzlich seine Arme und sein Gesicht, sein Haar schrumpfte.
»Können Bestien wir ihr lieben? Bestien, die fühlende Kreaturen in lebende Bomben verwandeln? Hast du am Ende deine Mutter geliebt?«
Der Daa’mure stieß schrille Töne aus und rannte Rulfan entgegen. Er passierte die Durchreiche. Rulfan hob sein Schwert, seine Linke langte zur verdeckten Gasflasche. Der Rollladen vor der Durchreiche wurde hochgerissen. Der Daa’mure blieb stehen und fuhr
Weitere Kostenlose Bücher