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143 - Rulfan von Coellen

143 - Rulfan von Coellen

Titel: 143 - Rulfan von Coellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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in Gesichtern zu lesen verstand, begriff schnell, dass dieser Mann dem Leben tiefer in die Augen geschaut hatte, als es ratsam war. Hart und ernst war sein Gesicht, und schneeweiß. Unzählige Furchen durchzogen es, zwei besonders tiefe von den Nasenflügeln bis zu den Mundwinkeln. Über roten, stechenden und tief in den Höhlen liegenden Augen türmten sich ausgeprägte Stirnfalten. Ein Geflecht aus blauen Adern überzog seinen haarlosen Schädel.
    »Du bleibst auf der Insel«, sagte er mit einer Stimme, in der keinerlei Emotionen schwangen, der aber kaum jemand zu widersprechen wagte. »Wir brauchen dich hier.«
    In der Community Salisbury nannten sie Gabriel meistens den Prime, was in erster Linie sein Amt, in zweiter jedoch auch den inoffiziellen moralischen Rang bezeichnete, den er in den Augen der Bunkerbevölkerung innehatte. In der Community London – bei offiziellen Anlässen hin und wieder auch in Salisbury – nannte man ihn Sir Leonard. Einer nannte ihn Vater.
    Dieser Eine stand jetzt vor der Eingangsluke seiner Wohnkuppel, während Gabriel mit vor der Brust verschränkten Armen an der Kuppelwand auf und ab lief. Das Kuppelpanorama versetzte die beiden Männer an die südöstliche Steilküste der britannischen Insel. »Ich gehe«, sagte der Mann vor der Luke.
    Einige nannte ihn Rulfan von Coellen, andere Rulfan von Salisbury; je nachdem, ob sie ihm erstmals auf der Insel oder auf dem Festland, in den Ruinenstädten am Großen Fluss begegnet waren. »Du hast mir nichts zu befehlen, Vater.«
    »Du täuschst dich, mein Sohn.« Sir Leonard blieb stehen.
    Sein stechender Blick richtete sich auf Rulfan. »Du bist Mitglied des Octaviats von Salisbury, ich bin der Prime. Du bist Octavian für Äußere Angelegenheiten, also kannst du nicht gehen, wohin du willst, sondern hast dorthin zu gehen, wohin ich als Vorsitzender des Octaviats dich sende. Und ich sende dich nirgendwo hin, ich sage: Du bleibst auf der Insel. Wir brauchen dich hier.« Er begann seinen Weg entlang der Kuppelwand fortzusetzen. Ein Schwarm Möwen zog von der rechten Kuppelseite aus über den Himmel aufs Meer hinaus.
    »Davon abgesehen bist du mein Sohn.«
    »So ist es, Vater, und deswegen solltest du deine Worte mit Bedacht wählen, denn als mein Vater müsstest du wissen, was ich über alles liebe und mir von keiner Frau und auch nicht von dir nehmen lasse…«
    »… deine Freiheit, ich weiß, ich weiß!« Der Prime winkte ab. »In dieser Hinsicht bist du, wie deine Mutter gewesen ist: wild und unbezähmbar. Aber ein Amt verpflichtet, Rulfan Gabriel, und einem reifen Manne wie dir würde es gut anstehen, seine Freiheit dem Amt und seinen Erfordernissen unterzuordnen! Zumal wir uns in einem Krieg befinden!«
    »Eben deswegen gehe ich! Um diejenigen zu bekämpfen, die diesen Krieg bis auf unsere Insel trugen! Und die mich als ihre Waffe missbraucht haben…!«
    »Rachedurst steht dir nicht!«, fuhr Gabriel ihm ins Wort.
    »Überlass das den Barbaren! Du aber erweise dich als Diener der Zivilisation und der Vernunft! Wir brauchen dich hier!«
    Wie um seine Worte zu unterstreichen, deutete Sir Leonard mit ausgestrecktem Zeigefinger auf den Boden. »Hier!«
    »Ich bin dein Sohn, Vater.« Rulfan schlenderte ins Zentrum des Kuppelraums. »Also zur Hälfte ein Sohn der Zivilisation und der Vernunft. Aber auch der Sohn meiner Mutter bin ich – ein Sohn der Wildnis und der Barbarei. Rache ist mehr als nur übermäßige Hitze des Blutes, Vater. Sie ist das Gesetz der Wildnis und hemmt die Mordlust des Mörders.« In der Mitte des Raumes blieb er stehen und stemmte die Fäuste in die Hüften. »Wissen wir denn, wie viele Menschen sie zwischen Marienthal und der Mündung des Großen Flusses versklavt haben? Wissen wir, wie viele potentielle Verbündete ich gewinnen werde, indem ich sie vernichte?«
    Ein grimmiger Zug flog über Leonard Gabriels Miene.
    »Und wenn du sie nicht vernichten kannst?« Er ging auf seinen Sohn zu. »Wenn sie dich töten?« Vor dem Albino blieb er stehen und schüttelte den Kopf, als könnte er nicht fassen, dass dieser Mann mit seinen langen weißen Haaren, mit seinen roten Augen und seiner weißen Haut sein Sohn war, dieser Halbbarbar, dieser zornige, rachsüchtige Mann. »Du redest, wie die wilden Lords reden!« Ruckartig wandte er sich ab.
    »Außerdem ist jene, die dich einst mit dem Virus infizierte, tot. Est’sil’aunaara starb in Berlin durch Jennifer Jensens Hand, das weiß du doch!«
    »Sie hat Gefährten in

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