1432 - Die Fratze der Nonne
Gespräch mit der Chefin oder Heimleiterin.« Ich ging einfach davon aus, dass eine Frau das Heim führte.
»Sind Sie angemeldet?«
»Wir haben keinen Termin, wenn Sie das meinen.«
»Dann tut es mir Leid. Schwester Ann ist sehr beschäftigt. Diese Institution hier muss wie eine Firma geführt werden. Da sind Termine und Absprachen sehr wichtig.«
»Das kann ich verstehen. Aber wir sind nicht grundlos aus London hierher gekommen, und ich möchte Ihnen zudem etwas zeigen.« Bei diesem Satz holte ich meinen Ausweis hervor.
»Danke.« Die Frau nahm den Ausweis entgegen. Sie musste ihn nicht lange anschauen, als sie sagte: »Bitte, kommen Sie herein. Scotland Yard ist etwas anderes. Ich hoffe, Sie haben keine bösen Nachrichten, was unsere Frauen hier betrifft.«
»Nein, das auf keinen Fall. Es geht mehr um eine Auskunft und um ein Gespräch mit der Chefin.«
»Aber Sie sind zu dritt.«
»Das ist auch wichtig.«
Ich stellte die Conollys vor, und so erfuhr ich auch den Namen der jungen Frau.
Sie hieß Sandra Keaton und gehörte zu den zivilen Angestellten.
Sie war für die Telefonzentrale verantwortlich, aber auch für die Besucher.
In ihrem kleinen Büro blieben wir stehen. Hier gab es zwei Bildschirme, auf denen die Bilder zu sehen waren, die von einer Überwachungskamera übermittelt wurden.
»So, Sie möchten zu Schwester Ann?«
Bill nickte. »Richtig.«
»Geht es wirklich nicht um einen unserer Schützlinge?«
»Nein.«
»Gut. Ich will auch keine weiteren Fragen mehr stellen.« Sie drückte auf einen Knopf der Telefonanlage und sorgte so für die Verbindung zu Schwester Ann.
Wir warteten, und auch Sandra Keaton wartete. Sie schüttelte schon sehr bald den Kopf, weil sie sich darüber wunderte, dass sich die Leiterin des Heims nicht meldete.
»Das ist komisch. Sie muss in ihrem Büro sein. Das ist sie um diese Zeit immer.«
»Können Sie sie ausrufen lassen? Oder hat sie einen Pieper?«, fragte Bill.
»Nein. Aber ausrufen…«
»Ist keine so gute Idee«, erklärte ich.
»Warum denn nicht?«
»Es ist wohl besser, wenn wir zu ihr gehen.«
Sandras Brust hob und senkte sich unter tiefen Atemzügen. In ihr Gesicht stieg eine leichte Röte. Wahrscheinlich war ihr so etwas neu, doch ich zwang sie indirekt zu handeln, indem ich zur Tür ging. Die Conollys schlossen sich mir an.
Sandra blieb nichts anderes übrig, als die Führung zu übernehmen. Wir schritten durch einen hallenartigen Raum, von dem eine Treppe gebogen in die Höhe führte zu den Gängen, wo die Frauen ihre Zimmer hatten.
Ab und zu waren Stimmen zu hören, aber auch das Weinen kleiner Kinder. Sandra erklärte uns, dass man sich hier um die noch sehr jungen Frauen kümmerte, die woanders keine Chance hatten, ihre Kinder in den ersten Jahren großzuziehen. Finanziert wurde das Heim durch Sponsoren, aber zum Teil auch durch den Staat, der jedes Jahr eine bestimmte Summe überwies.
»Eine gute Sache«, sagte ich.
»Das stimmt.«
»Und hier arbeitet sicher auch eine Nonne, die auf den Namen Elvira hört«, sagte Bill wie nebenbei.
Sandra Keaton blieb stehen. »Wie kommen Sie denn auf die?«
»Wir hörten von ihr.«
»Nun ja…« Sandra hob die Schultern. »Wie soll ich sagen. Elvira ist so etwas wie ein Sozialfall. Wir haben sie bei uns aufgenommen, weil sie einen verstörten Eindruck machte. Sie stand an einem Abend hier vor der Tür und war völlig durcheinander. Seit diesem Tag ist sie bei uns.« Es folgte ein Schulterzucken. »Nur muss ich ehrlich sagen, dass sie nicht so recht in die Gemeinschaft passt. Sie hat sich schon abgesondert.«
»Was bedeutet das?«
»Nun ja. Manchmal ist sie für Tage verschwunden. Wenn man sie fragt, wo sie gewesen ist, dann bekommen wir als Antwort nur ein geheimnisvolles Lächeln. Das ist schon komisch. Aber Schwester Ann hält trotzdem an ihr fest. Ich kenne den Grund auch nicht.«
»Wo wohnt Elvira denn?«, erkundigte ich mich.
»In dem kleineren Nebengebäude, in dem die Angestellten und Schwestern ihre Zimmer haben. Man kann es durch einen Gang erreichen. In früheren Jahren hat es mal als Pferdestall gedient. Da lebte der alte Besitzer noch. Er hat sein Haus dann an ein Kloster verschenkt, da er keine Nachfolger oder Erben hatte.«
»Gut, gehen wir weiter zu Schwester Ann«, sagte Bill.
»Natürlich.«
Es waren nur wenige Schritte bis zur Tür. Sandra Keaton klopfte, doch sie erhielt keine Antwort.
»Das ist seltsam. Sie scheint wirklich nicht da zu sein.«
Ich ging forscher zu Werke,
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