1436 - Die Bionten von Kyon
dich, Doktor", sagte er ohne Melodie in der Stimme. Der psionische Beiklang fehlte, und so waren es schale, scheinbar ausdruckslose Worte. „Und?" fragte die Stimme neugierig. „Wie geht es? Kannst du wieder singen?
Zumindest ein Fortschritt?"
Salaam Siin konzentrierte sich ein zweites Mal. Er wußte, daß sein Membrankranz wiederhergestellt war. Äußerlich erinnerte nichts mehr an die schwere Wunde. Aber der äußere Eindruck und der Aufbau ophalischer Gesangsorgane waren unterschiedliche Dinge. Ein bißchen regenerierte Haut besagte wenig.
Der Gesang der Heraldischen Tore, dachte er. Ich werde ihn singen.
Zumindest versuchen werde ich es. Was dann allerdings hörbar den Membrankranz verließ, klang so erbärmlich wie zuvor das Stöhnen. Mit einem seiner Greifbüschel tastete er die Region unterhalb des Teleskophalses ab. Er spürte förmlich, daß in den Atemkammern Dissonanzen entstanden. „Das hört sich nicht gut an", sagte Doc Midmays.
Salaam Siin spürte das Mitleid in seiner menschlichen Stimme, aber er nahm auch Zorn und Frustration wahr. „Ich schlage vor, du kommst jetzt aus dem Tank. Du mußt dich abduschen und ankleiden. Deine Netzkombination liegt bereit."
Ohne Antwort setzte sich der Meistersänger auf. Er ließ die kurzen Beine hinausbaumeln; an der Höhe des Tanks sah man, daß er für Menschen und menschenähnliche Wesen gemacht war.
Nicht für Ophaler wie ihn, obwohl er mit eineinhalb Meter Größe schon zu den starkgebauten Mitgliedern seines Volkes zählte. „Ich habe es dir so oft erklärt", sagte der Bordarzt der CIMARRON. „Aber du begreifst es einfach nicht. Im Grunde lehnst du meine Aussagen ab, weil du dich als unheilbaren Krüppel begreifst..."
„Ein Ophaler ohne Stimme ist ein Krüppel. Er ist ein Nichts. Er kann nicht singen."
Midmays war etwa fünfundzwanzig Zentimeter größer als Salaam Siin und zählte damit zu den körperlich kleineren Menschen. Jedenfalls hatte der Meistersänger beobachtet, daß die meisten humanoiden Besatzungsmitglieder der CIMARRON größer waren. Auf seinem Kopf wuchs lockiges Haar, Midmays' Haut war natürlich nicht rot wie die eines Ophalers, sondern hellbraun. Er sprach gern und viel. Dabei klang seine Stimme angenehm, und das selbst für die feinen Ohren des Meistersängers.
Nur einen Nachteil hatte der Bordarzt: Er neigte zur Aufdringlichkeit. Salaam Siin hätte gern auf seinen Kommentar zum Erfolg der Regenerationsphase verzichtet.
Aber noch stand er zu wacklig auf den Beinen, noch konnte er dieses Krankenzimmer schlecht verlassen. „Warum hörst du nicht auf mich, Salaam Siin?"
Midmays sah ihn an wie einen widerspenstigen Patienten, der die verordnete Medizin nicht schluckt.
Jedenfalls empfand der Meistersänger seinen Blick so, und die Worte klangen erzwungen geduldig. „Vielleicht ist es eine Frage des Unterbewußtseins... In Siom Som seid ihr außerstande, einen beschädigten Membrankranz wiederherzustellen.
Mardakaan war jahrtausendelang eine Welt der Ewigen Krieger. Es gab wenig Interesse an medizinischer Forschung.
Dies hier allerdings ist ein Schiff der LFT!
Bei uns ist es anders. Das Med-Programm der acht Syntroniken hat deine Membrane von Grund auf restauriert."
„Unmöglich", wandte Salaam Siin lahm ein. Seine Worte klangen kunstlos und unmelodiös. „Keine zwei Membrankränze sind gleich. Nicht einmal die zwei Seiten.
Es ist zuwenig, nur die akustischen Verhältnisse exakt so aufzubauen, wie sie waren. Auch das Zusammenspiel zwischen Akustik und Psionik muß dasein, sonst nützt all die Mühe nichts."
Midmays warf verzweifelt die Arme in die Luft. Zunächst preßte er die breiten Lippen hart zusammen, dann sprach er plötzlich lauter, als es ophalischen Hörorganen angenehm war. „Aber das Zusammenspiel ist da, Salaam Siin! Ich beschwöre dich! Dein Problem liegt nicht im Membrankranz. Es ist dein schwerfälliger Geist. Du hast dich unbewußt in diese Behinderung verrannt.
Nun mußt du dich davon lösen."
„Du irrst. Ich bin ein Krüppel und werde es bleiben. Salaam Siin, der Meistersänger, das ist Vergangenheit."
Resigniert senkte Midmays den Kopf. „Jetzt weiß ich mir nur noch einen Rat.
Wir können dein Unterbewußtsein hypnotisch verändern. Dann erst wirst du glauben, was ich sage."
„Nein", wehrte er hastig ab. „Du und die acht Syntroniken, ihr habt von ophalischen Denkprozessen keine Ahnung. Ihr könntet mich töten."
„Das wäre das Risiko", gab der Bordarzt widerwillig zu. Er verzog das
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