1437 - Der weibliche Tod
Sichtfeld des Popen auftauchte, wusste er, dass es nicht nur ernst, sondern todernst für ihn wurde.
Seine Augen weiteten sich in einem namenlosen Schrecken. Er wollte etwas sagen, aber nur ein Krächzen drang über seine Lippen.
Rusalka kümmerte sich nicht darum. Sie schob den Deckel über das Unterteil, und der Pope erlebte, wie es langsam dunkler um ihn wurde.
Und dann war es finster – stockfinster, denn der Deckel schloss fugendicht!
Was der Pope in diesen Sekunden erlebte, war ein Albtraum. Lebendig begraben zu werden, langsam zu ersticken…
Seine Gedanken wurden unterbrochen, weil er dumpfe Schläge hörte, die den Deckel trafen. Konstantin konnte sich zuerst keinen Reim darauf machen, bis ihm einfiel, dass der Deckel möglicherweise durch irgendwelche Gegenstände beschwert worden war.
An verschiedenen Stellen klangen die Geräusche auf. Danach wurde es still.
Still wie in einem Grab!, schoss es dem Popen durch den Kopf. Er konnte über diesen Vergleich nicht mal lächeln.
Kein Wort des Abschieds, keine hämische Bemerkung. Rusalka hatte ihre grausame Pflicht erfüllt. Sie zog sich zurück und wartete darauf, dass er langsam erstickte und zusätzlich noch seelische Qualen durchlitt…
***
Ob die Idee richtig war, zum Friedhof zu fahren, wussten wir nicht.
Wir konnten es nur hoffen, und ehrlich gesagt, eine andere Spur hatten wir nicht.
Zudem ging uns der Gedanke an den leeren Sarkophag nicht aus dem Kopf.
Als wir den Friedhof erreichten, hatte sich der Himmel im Westen bereits gerötet.
Wir fuhren wieder so weit, wie wir konnten, und gingen den Rest der Strecke zu Fuß. Ein Gefühl drängte uns zur Eile, obwohl wir keine Veränderungen auf dem Friedhof feststellen konnten.
Nach wie vor waren nur wenige Besucher zu sehen, und auch der Todesengel ließ sich nicht blicken. Als wir den Bereich mit den Grüften erreichten, atmeten wir beide zunächst mal auf, denn es gab nichts, was unser Misstrauen geweckt hätte.
»Nichts«, sagte Suko, doch die Zweifel in seiner Stimme waren nicht verschwunden.
»Abwarten«, murmelte ich, während ich langsam auf die Grüfte zuschritt.
Der rechte Sarkophag mit dem losen und leichten Deckel interessierte mich besonders stark. Er stand an der gleichen Stelle, niemand hatte ihn verschoben, und trotzdem stellten wir eine Veränderung fest, denn auf seinem Deckel lagen flache Grabplatten, die sicher ihr Gewicht hatten, sodass ich mich wunderte, dass das Material des Deckels nicht eingedrückt wurde.
»Die sind neu«, murmelte Suko.
»Und es muss einen Grund dafür geben, dass sie dort liegen.«
»Der Pope?«
»Wir werden sehen.«
Zu beiden Seiten des Sarkophags hatten wir uns aufgebaut. Zu hören war nichts.
Die Befürchtung, dass der Mensch, der eventuell in diesem Steinsarg lag, nicht mehr lebte, wurde größer in mir.
»Weg mit den Steinen!«, sagte Suko. Er schnappte sich bereits den ersten und trug ihn zur Seite.
Ich hatte mir den zweiten Stein geschnappt. Suko kümmerte sich um den dritten. Am Sarkophag trafen wir wieder zusammen. Mit einer zackigen Bewegung legte Suko einen Finger auf seine Lippen.
Ich brauchte nur einen Blick in seine Augen zu werfen, um zu wissen, dass ihm etwas aufgefallen war.
»Und?«
Er wies auf den Deckel. »Ich habe was gehört. Ein Keuchen oder ein ähnliches Geräusch.«
»Okay, weg mit dem Deckel.«
Schon einmal hatten wir ihn abgehoben. Auch jetzt gab es dabei keine Probleme. Er war noch nicht völlig vom Oberteil entfernt, da hörten wir schon aus dem Sarkophag eine Stimme, die mehr ein Keuchen war.
»Wer immer ihr seid, ihr…«
Gemeinsam schauten wir in den Sarg aus Stein. Es war noch hell genug, um den »Inhalt« zu erkennen. Wir schauten in ein verzerrtes Gesicht, in dem ein Ausdruck stand, der nur schwer zu deuten war.
Diese Mischung aus Angst, Verzweiflung und vielleicht auch ein letztes Hoffen hatte Konstantins Antlitz zu einem Zerrbild werden lassen.
Aus dem weit geöffneten Mund strömte der Atem und wurde mit keuchenden Lauten wieder eingesaugt, und einen Moment später durchlief die Gestalt des Popen ein heftiges Zittern.
Der Mann musste einen positiven Schock erlitten haben. Ich konnte mir genau vorstellen, welche Qualen er durchlitten hatte, denn vor Jahren war ich selbst einmal lebendig begraben worden.
Suko und ich streckten dem Mann unsere Hände entgegen. Wir mussten ihm aus dem Sarg helfen, denn aus eigener Kraft war er dazu bestimmt nicht in der Lage.
Er sah es. Er bewegte sich. Er
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