1444 - Saladins Leibwächter
funktionierte, aber sie tat es trotzdem und sprach das Gesicht auf dem Schirm an.
»Okay, du hast dich gezeigt. Aber das reicht mir nicht, mein Freund. Ich möchte wissen, wer du bist.«
Ihren Blick nahm sie nicht vom Schirm fort. Sie wollte wissen, ob sie richtig lag. Normalerweise konnte sie nicht erwarten, dass diese Gestalt sie hören würde, doch sie ging davon aus, dass dieser Unheimliche eine Kommunikation mit ihr suchte.
Gab er eine Antwort?
Nein, es gab auch keine Veränderung in der Fratze. Kein Zucken, kein Grinsen, kein Nicken und auch kein Kopfschütteln.
Dieses Gesicht blieb gleich und verschwand plötzlich, wie es auch erschienen war.
Aus großen Augen schaute Purdy auf den wieder völlig leeren Schirm und schüttelte den Kopf.
Das gibt es nicht!, dachte sie. Da will mich jemand an der Nase herumführen…
Sie erhielt keine Antwort, keine Erklärung. Der Bildschirm blieb dunkel. Der Computer hatte sich wieder selbstständig ausgeschaltet.
Es war alles wie sonst.
Die Staatsanwältin schüttelte den Kopf. Es interessierte sie nicht mehr, dass ihr Kaffee kalt geworden war, sie musste sich mit dem Phänomen an sich beschäftigen, und sie war davon überzeugt, dass alles ihr allein gegolten hatte.
Mit dem Stuhl fuhr sie zurück. Sie wollte irgendwie eine Distanz zwischen sich und den Apparat bringen. Ihr Herz klopfte noch immer schneller als normal, und hinter der Stirn spürte sie einen leichten Druck.
Vor ihr lag ein Wochenende. Purdy ging davon aus, dass es nicht so ablaufen würde, wie sie es sich vorgestellt hatte. Sie musste mit weiteren Überraschungen rechnen.
Nur nicht in ihrem Büro. Sie hatte genug von diesem Raum. Sie wollte nach Hause. Sie spielte auch mit dem Gedanken, ihren guten Freund John Sinclair anzurufen. Was sie hier erlebt hatte, war ein Phänomen, und dafür war der Geisterjäger zuständig. Wobei sie auch nicht vergaß, dass sie und er schon so manchen Kampf hinter sich gebracht hatten. Der Gedanke, gemeinsam mit John gegen das Phänomen vorzugehen, verdrängte ihre Angst.
Sie stand auf und ging dorthin, wo ihr Mantel hing. Den konnte sie bei diesem Wetter gut gebrauchen, denn draußen wehte ein kalter Wind, der am Morgen einen leichten Regen vor sich hergetrieben hatte, und das bei Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt.
Sie hielt den Mantel bereits in der Hand, als sie das Geräusch hinter sich hörte.
Purdy fuhr herum.
Nein, sie schrie nicht, obwohl sie den Mund weit aufriss. Der Schrei blieb in ihrer Kehle stecken.
Sie konnte nicht begreifen, wer dort stand.
Eine neue Gestalt.
Ebenfalls halb nackt, ebenso muskulös, ebenso tätowiert, mit kurz geschnittenen schwarzen Haaren auf dem Kopf und bewaffnet mit einem Schwert, auf das er sich stützte…
***
Es war kein Wochenende, auf das man sich freuen konnte. Es gab keine Sonne, kein schönes Wetter, es gab auch keine Wärme, die einen Menschen hätte erfreuen können.
Im Dezember musste man sich eben auf das Gegenteil einstellen, und genauso war es auch. Windig und kalt, zum Glück kein Regen mehr.
Die Stadt London war mal wieder verstopft. Die letzten zweistöckigen Busse fuhren noch, doch in zwei Tagen waren auch sie aus dem Straßenbild verschwunden, was nicht alle Menschen freute, denn irgendwie hatten sie einfach zu London gehört. Auch ich fand es schade, aber ich saß um diese Zeit nicht in einem Bus, sondern allein im Rover und befand mich auf dem Weg nach Hause.
Wie der Abend ablaufen würde, wusste ich nicht. Ich hoffte nur, dass es ruhig zuging. Glenda Perkins hatte mich überreden wollen, noch mit ihr loszuziehen, um Weihnachtsgeschenke einzukaufen, aber darauf konnte ich verzichten.
Durch volle Läden zu streunen und mir die Augen aus dem Kopf zu schauen, das war nicht mein Ding, außerdem hatte ich mir vorgenommen, zu den Geschenkverweigerern zu zählen, denn dieser ganze Rummel ging mir schon seit Jahren auf den Geist.
Es gab einige Organisationen, denen ich eine gewisse Summe spendete, und das wurde von den meisten auch akzeptiert. Glenda Perkins gehörte zu der traditionellen Sorte Menschen, für die ein Weihnachten ohne Geschenke eben kein richtiges Weihnachten war.
Für mich war im Moment wichtiger, dass ich den Tank voll bekam, und deshalb steuerte ich eine Tankstelle an. Es ist der Traum eines jeden Autofahrers in der City, eine leere Tankstelle zu erwischen, und tatsächlich hatte ich das Glück. Oder fast, denn nur ein Auto stand an einer der sechs Zapfsäulen.
Ich wurde direkt
Weitere Kostenlose Bücher