1458 - Die Mordkapelle
entgegen. Er sah, dass John sich darum kümmerte. Aber es gab noch einen zweiten Brennpunkt innerhalb der kleinen Kapelle.
Bill wurde durch die noch leuchtende Lampe geleitet, die Teile des schlichten Altars erfasste, und genau dort sah er etwas, das leider keine Szene aus einem Horrorfilm war.
Auf der Altarplatte lag rücklings ein zweiter Mann. Bill sah, dass er verletzt war, doch das nahm er nur mit einem Nebenblick wahr.
Viel wichtiger war die Gestalt der Frau, sie sich über ihn gebeugt hatte, ihn mit einer Hand gegen die Steinplatte des Altars drückte und in der anderen Hand ein Messer mit blutiger Klinge hielt.
Es gab keinen Zweifel daran, dass die Frau, die das Messer in den Körper des Mannes rammen wollte, Vanessa Blair war.
Ein schrecklicher Schrei durchtoste die Kapelle. Der Mann auf dem Altar hatte ihn ausgestoßen. Er befand sich in Todesgefahr, er musste einfach schreien, und diese Geräuschkulisse sorgte für ein blitzschnelles Handeln des Reporters.
Bill Conolly schoss!
Er zog mehrmals den Stecher durch, und er hielt dabei auf die kniende Frau.
Ob er mit allen Kugeln getroffen hatte, wusste er nicht. Jedenfalls zuckte der Körper der Frau in die Höhe. Bill feuerte noch mal. Jetzt sah er, dass das geweihte Silbergeschoss in den Kopf der Frau einschlug.
Sie kippte vom Altar.
Der dort liegende Mann wimmerte nur noch. Aber er lebte, und das war gut.
Bill Conolly beeilte sich, weil er sehen wollte, was mit der Frau passiert war. Die Einschläge der Kugeln in ihren Körper hatten sie vom Altar weggeschleudert. An der rechten Kopfseite war ein Einschussloch zu sehen, aber sie war noch nicht tot.
Sie raffte sich wieder auf.
Bill zielte auf sie.
Doch er drückte nicht mehr ab, denn er sah jetzt die Veränderung, die eintrat. Einen Reim darauf konnte er sich nicht machen, und er glaubte auch nicht, dass die geweihten Kugeln der Beretta der Grund für die Veränderung waren, denn Vanessa Blair, deren Kleidung jetzt mit Blut bespritzt war, schlug wie wild um sich. Mit der freien Hand klatschte sie in ihr Gesicht, um das zu verscheuchen, das so schnell entstanden war.
Bill erinnerte sich an das Netz aus kleinen Flammen, in dem ein Mann gefangen war. Das Feuer hatte ihn wie ein Vorhang umgeben, und zwischen ihm und der Frau musste es eine Verbindung geben, denn sonst hätte sie kein Feuer gefangen.
Sie brannte!
Es war kein Rauch zu sehen, keine Haut, die sich zusammenzog, es gab bei ihr überhaupt keine Veränderung. Sie schrie nicht, sie litt schweigend und hatte schließlich nicht mehr die Kraft, sich auf den Beinen zu halten.
Vanessa Blair brach zusammen.
Der Reporter sah es bis ins kleinste Detail. All seine Sinne waren gespannt, und so hörte er auch das hohl klingende Geräusch, das beim Aufprall des Körpers entstand.
Er wusste sofort, dass Vanessa Blair nur noch eine Hülle war. Alles andere hatte man ihr genommen. Denn unter der Hülle befand sich nichts mehr. Jetzt war sie endgültig tot und würde nie mehr auf dem Bike über den Friedhof fahren können…
***
Der junge Mann, der im Feuernetz gehangen hatte, lag vor mir. Ich kniete neben ihm. Meine kleine Leuchte hob sein Gesicht aus der Dunkelheit.
Er lebte noch, aber das Feuer hatte ihn gezeichnet und sich wie ein rotes Höllenmal in seinem Gesicht ausgebreitet. Die Hände waren ebenfalls verbrannt. Ich sah dunkle Fingernägel und stellte mir die Frage, ob dieser Mensch noch zu retten war.
Über mein Handy rief ich einen Notarzt.
»Kommst du mal, John?«
Bill hatte mich gerufen, und ich hatte die Erschöpfung aus seiner Stimme hervorgehört.
»Ja, sofort.«
»Da gab es noch diese Vanessa, John.«
»Gab?«
»Schau sie dir an.«
Wenig später leuchtete ich mit meiner Lampe auf einen Körper, der nur noch eine leere Hülle war. Alles, was sich in seinem Innern befunden hatte, war verbrannt.
»Es geschah, als du das Feuer mit deinem Kreuz bekämpft hast, John. Ich konnte nichts dagegen tun.«
»Ist schon gut.«
Bill deutete auf den jungen Mann auf dem Altar. In seiner rechten Körperseite steckte ein Messer, aber er hatte diesen Stich überstanden, denn er atmete noch, auch wenn er bewusstlos geworden war.
»Der Notarzt ist unterwegs.« Ich hob die Schultern. »Wenn die beiden durchkommen, werden sie uns bestimmt berichten können, worum es hier wirklich ging.«
»Ja, das denke ich auch. Aber was wird mit ihnen geschehen? Kann man sie als Mörder vor Gericht stellen, wenn wir mal davon ausgehen, dass sie Vanessa
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