1466 - Tödliche Küsse
kurz.
Das Fenster hatte einen Hebel. Es ließ sich leicht öffnen. Für den Himmel hatte ich keinen Blick, ich wollte mir die Hausfront an der rechten Seite anschauen und erkennen, ob es einen Sims gab, auf dem ich mich bewegen konnte.
Er war tatsächlich vorhanden. Bei diesen Nachbauten hatte man darauf geachtet, dass auch die Fassaden etwas darstellten. Manche waren sogar mit Köpfen verziert worden. Erstklassige Stuckarbeiten, von wahren Meistern geschaffen.
Der Sims lag ungefähr einen Meter unter mir. Ich würde ihn erreichen können, doch er war verdammt schmal, und es bestand durchaus die Gefahr des Abstürzens, und das durfte ich einfach nicht riskieren.
Es sah also nicht gut aus für mich.
Es blieb die Tür.
Ich zog mich vom Fenster zurück, nachdem ich es geschlossen hatte. Dann fing ich an zu überlegen. Wohnanlagen wie diese hier, die sehr aufwändig renoviert oder gebaut worden waren, hatten in der Regel einen Hausmeister, der sich um all die kleinen oder großen Beschwerden der Mieter kümmerte. Und das waren Vertrauensposten. Dazu gehörte auch der Besitz eines Zweitschlüssels, denn wenn etwas passierte und der Mieter nicht in seiner Wohnung war, musste jemand hineinkommen können. Das war dann der Hausmeister oder Hausverwalter. Und den wollte ich suchen und finden.
Ich hatte das Gefühl, nicht viel Zeit verlieren zu dürfen.
Mit dem Lift fuhr ich wieder nach unten. Ob es überhaupt einen Hausmeister gab, war mir nicht bekannt. Das würde ich schnell herausfinden, und diesmal stand das Glück auf meiner Seite, denn als ich den Lift verließ, da öffnete sich eine Tür in der Nähe, und eine Frau schob einen Kinderwagen aus der Wohnung.
Sie erschrak leicht, als sie mich sah. Mein Lächeln beruhigte sie.
»Bitte, ich habe eine Frage.«
»Sie sind fremd hier?«
»Ja, aber ich bin auch Polizist. Scotland Yard.« Ich hielt ihr meinen Ausweis entgegen.
»Oh.« Sie trat etwas zurück. »Und was suchen Sie hier? Wollen Sie jemanden verhaften?«
»Nein, aber ich suche den Hausmeister.«
»Aha, ihn.«
Bei dieser Antwort wusste ich, dass es einen gab.
»Wo kann ich ihn finden?«
»Nicht hier. Zwei Häuser weiter hat Norman West seine Wohnung.«
»Ist er da?«
»Ja, ich habe ihn heute schon gesehen.«
»Das ist gut, danke.« Ich stellte ihr eine letzte Frage. »In welche Richtung muss ich gehen?«
»Gehen Sie nach rechts, Sir.«
»Danke.«
Ich hielt der Frau mit dem Kinderwagen noch die Tür auf.
Wo Norman West wohnte, hing sogar ein Schild an der Hauswand, in das sein Name eingraviert worden war. Es gab auch eine Extraklingel, die ich drückte.
Er war zu Hause. Wieder lauschte ich einer Stimme aus der Sprechanlage. Sie klang ziemlich ärgerlich.
»Was ist denn los?«
»Ich möchte zu Ihnen, Mr. West. Mein Name ist John Sinclair, und ich arbeite für Scotland Yard.«
»Ehrlich?«
»Warum sollte ich Sie anlügen?«
»Okay, ich komme.«
»Gut, Mr. West, und bringen Sie bitte all ihre Nachschlüssel mit, wenn ich darum bitten darf.«
Er brummte etwas, was ich nicht verstand, und beendete die Verbindung. Ich konnte nur auf ihn warten. Meine Nervosität steigerte sich. Ich hatte das Gefühl, schnell sein zu müssen, um nichts zu verpassen.
Ich war in Sorge um Jane und traute mich nicht, sie über ihr Handy anzurufen. Auch wenn sich die Gegend friedlich und normal präsentierte, durfte man darauf nicht bauen. Oft lauerte das Böse dicht unter der Oberfläche.
Die Haustür wurde von innen geöffnet und ein Mann trat über die Schwelle. Es war Norman West, der Hausmeister. Er trug einen Kittel und kein Hemd darunter. Im Ausschnitt unter dem Hals kräuselten sich dunkle Haare.
Er hatte ein rundes Gesicht mit roten Wangen und dichte dunkle Brauen. Um ihn zu beruhigen präsentierte ich ihm meinen Ausweis.
Er nahm ihn zwar wahr, hob aber die Schultern und wunderte sich lautstark, warum ich überhaupt hier stand.
»Es geht um einen Ihrer Mieter. Um Attila Caine.«
»Ach je. Der Frauenversteher.« West grinste. »So nennt man ihn nämlich hier. Er bekommt nur Besuch von Frauen. Da kann man sich leicht ausrechnen, welchem Job er nachgeht.«
»Das stimmt.« Ich wollte nicht weiter über Caine sprechen und fragte: »Haben Sie einen Schlüssel zu seinem Apartment?«
»Ja, schon, aber…«
»Kein Aber. Ich brauche ihn möglicherweise.«
Der Hausmeister trat zurück. »Das ist nicht so einfach. Sie können nicht die Tür aufschließen, ohne dass Sie…«
»Ich brauche ihn nur für den
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