1467 - Landhaus der Leiden
mich zukommen wird, und deshalb habe ich dir die Geschichte erzählt.«
»Damit ich mitkomme.«
»Du hast es erfasst, John!«
Nicht nur das. Ich hatte auch den Schwarzen Peter.
Die Gedanken wirbelten durch meinen Kopf. Ich war mir noch nicht sicher, was ich unternehmen sollte. Zustimmen? Hier in London bleiben? Wenn ich das tat, würde sich Johnny allein auf den Weg machen. Ihn hatte so etwas wie ein Fieber gepackt, da kam er wirklich ganz auf seinen Vater Bill.
»Wo finden wir das Haus denn?«
»Hast du nicht die Karte gesehen, die im Buch abgebildet ist?« fragte er überrascht.
»Nein, habe ich nicht.«
»Na ja, wir müssen schon etwas fahren, aber nicht zu weit. Es liegt zwischen London und Bath. In der Provinz Wiltshire. Der am nächsten gelegene Ort heißt Larkhill.«
»Nie gehört.«
»Ich auch nicht«, gab Johnny zu. »Ich habe mir aus dem Internet die Fahrtroute herausgesucht. Lange werden wir nicht unterwegs sein, vorausgesetzt, du bist dabei.«
»Ich überlege noch.«
Johnny tippte gegen seine Brust. »Ich für meinen Teil fahre. Schon allein dass mir das Buch in die Hände gefallen ist, kann man als Wink des Schicksals bezeichnen. Dem weiche ich doch nicht aus. Nein, auf keinen Fall.«
»Du denkst auch an die Folgen?«
Er schaute mich mit großen Augen an. »Ich bin eine Conolly. Hat mein alter Herr jemals an die Folgen gedacht? Hast du das getan, wenn ihr zusammen auf der Jagd gewesen seid? Ich glaube nicht, und das habt ihr bis heute so gehalten.«
»Ja, ich weiß, und das ist es auch, was deine Mutter schon seit Jahren aufregt.«
»Ihr Problem. Aber ich lasse mir die Chance nicht entgehen. Ich habe auch einiges hinter mir und habe mir gedacht, dass mein Vater sich freuen wird, wenn ich…«
»Moment, Moment, nicht so forsch. Du bist Student und solltest dein Studium beenden. Das hat dein Vater getan, und das ist auch bei mir der Fall gewesen. Erst dann sehen wir weiter. Alles andere solltest du erst mal hintanstellen.«
»Ja, ja, das werde ich auch. Mein Studium schließt ja nicht aus, dass ich mich um andere Dinge kümmere. Jeder braucht irgendwie ein Hobby, finde ich.«
»Klar, nichts dagegen.«
»Dann können wir morgen Früh also fahren?«
Ich stöhnte auf und verdrehte die Augen. Johnny hatte mich wirklich in eine Zwickmühle gebracht. Zwar war er erwachsen, aber was zählte das schon? Denn er stand praktisch erst am Beginn seines Erwachsenenlebens. Davon ging ich zumindest aus, während Johnny die Dinge sicherlich anders einstufte.
»Wenn du natürlich keine Zeit hast, John, dann sieht die Sache anders aus. Ich werde dir auf jeden Fall einen Bericht geben.«
»Das ist nicht nötig.«
Seine Augen blitzten. »He, heißt das, dass du mitkommen willst?«
»Ich denke schon. Stell dir mal vor, deine Eltern kehren zurück und hören, dass du dich in eine lebensgefährliche Lage begeben hast. Die würden mich ja steinigen, wenn sie erfahren, dass ich davon gewusst habe.«
Er grinste mich an. »Weiß ich. Und deshalb habe ich ja mit dir gesprochen. So einfach ist das.«
»Gut, das nenne ich Erpressung.«
»Du bist also dabei?«
Ich holte schnaufend Luft und nickte, während sich Johnny vor Freude die Hände rieb…
***
Ruth Robertsons Beruf als Putzfrau anzusehen, wäre ihr nicht gerecht geworden, und es wäre auch einer Diskriminierung gleichgekommen, denn sie war ein weiblicher Housekeeper. Genauer gesagt hieß dies, sie überwachte Ferienhäuser und Ferienwohnungen. Sie schaute nach, ob alles in Ordnung war, und wenn nicht, musste die Putzkolonne ran. Hin und wieder legte sie auch selbst mit Hand an.
Die Häuser standen in einem naturbelassenen Gebiet, das sich Salisbury Plain nannte. Es war eine Landschaft mit wenigen Orten und auch kaum Straßen. Dafür wurde ein Teil des Plains von einem Truppenübungsplatz eingenommen. Die entsprechenden Kasernen lagen am südlichen Rand, wo sich auch mehrere Ortschaften aneinander reihten.
Dorthin führte Ruth Robertsons Weg kaum. Ihre Tour lag im Osten des Landstrichs. Dort hatte man in den vergangenen Jahren Ferienhäuser und Wohnungen errichtet und beim Bau darauf geachtet, dass die Individualität erhalten blieb. Die Häuser standen nicht nebeneinander oder in der Reihe. Zwischen ihnen gab es genügend Platz für Baumbestand oder für kleine Grasflächen, die sich zum Sonnen und Ausruhen eigneten.
Ein kleiner Badesee befand sich ebenfalls in der Nähe, und in dieser Landschaft machte es Ruth Spaß, ihrem Job nachzugehen.
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