1470 - Der Wechselbalg
übernahm Wayne Rooney das Wort.
»Hast du denn bewusst erlebt, wie man dich entführt hat und in die Welt der Gesichtslosen brachte?«
»Nein, das habe ich nicht. Es geschah irgendwann in der Nacht. Ich schlief. Ich glaubte an einen Traum, doch als ich erwachte, da musste ich erkennen, dass es kein Traum war. Ich bin dann bei ihnen geblieben, und das echte Band wurde wohl zurückgebracht. Ich kann auch keinen mehr fragen, denn ich hörte, dass meine Zieheltern nicht mehr am Leben sind. Sie starben beide an einem Tag, aber keiner weiß so richtig, wie sie ums Leben gekommen sind. Ich glaube, dass sie ermordet wurden. Das jedenfalls habe ich gehört, als ich wieder zurück in den Ort wollte. Da waren sie schon tot. Dann bin ich herumgeirrt. Immer geflohen, und schließlich bin ich hier angekommen.«
»Hast du denn einen Verdacht gehabt?« wollte ich wissen.
»Nein. Sie waren gute Menschen, das weiß ich noch. Aber vielleicht hat ihr echtes Kind das getan, das ja irgendwo war. Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass ich ein Ausgestoßener bin und man mich zurückhaben will. Aber das will ich nicht.«
»Du willst also bleiben«, sagte ich.
Er hob die Schultern. »Ich weiß nicht, wo ich hingehöre. Da bin ich ehrlich.«
Seth war ein Problem, das mussten wir zugeben. Er hatte eine andere Vita hinter sich als das Vogelmädchen Carlotta. Mit ihr war er überhaupt nicht zu vergleichen.
»Du kannst dir aber vorstellen«, sagte ich, »dass dich Engel weggegeben haben und dich jetzt wieder zurückholen wollen. Aus welchen Gründen auch immer. Sie könnten etwas mit dir vorhaben. Oder bist du da anderer Meinung?«
»Nein, aber so weit kann ich nicht denken. Das will ich auch nicht. Ich weiß nicht, was sie mit mir vorhaben könnten. Ich will nicht mehr zurück. Ich will mich nur irgendwo verstecken, wo sie mich nicht finden können.«
Ja, den Wunsch verstanden wir. Aber er konnte ihm nicht so leicht erfüllt werden, das sagte auch Suko.
»Ich glaube, dass es keinen Platz auf der Welt gibt, wo man dich nicht finden wird. Und deshalb denke ich, dass wir jetzt zu einem Abschluss kommen müssen. Wir müssen auch herausfinden, weshalb man dich zurückhaben will und wer dahinter steckt. Zwei Flügel allein machen noch keinen Engel, wobei nicht mal alle Engel Flügel haben.«
»Das weiß ich alles nicht.«
Die nächste Frage stellte ich. »Aber du fürchtest dich nicht vor den Engeln oder lehnst sie ab?«
»Nicht alle«, antwortete er. »Ich kenne zu wenige. Aber die, die ich erlebt habe, sind nicht meine Freunde. Vor ihnen habe ich richtig Angst, das müsst ihr mir glauben. Und sie haben auch einen Anführer, das habe ich gehört.«
»Nur gehört?« fragte Suko. »Oder kennst du ihn auch persönlich?«
»Nein, aber er soll sehr mächtig sein. Er ist einer der großen Anführer.«
»Hat er keinen Namen?« fragte Wayne Rooney.
»Doch, aber man sollte ihn nicht aussprechen. Er ist nicht besonders freundlich, aber er gehört zu den Erzengeln.«
Keiner sprach den Namen aus – bis auf meine Wenigkeit. Ich hatte genau zugehört und wusste, dass es sich nur um einen bestimmten Engel handeln konnte.
»Es ist Metatron, nicht wahr?«
Die Überraschung war perfekt. Seth zuckte zuerst zusammen, dann starrte er mich an, und wir alle konnten sehen, wie ein Schauer über seinen nackten Körper rann.
»Du kennst ihn?« flüstere er.
Ich winkte ab. »Sagen wir so, ich habe von ihm gehört.«
Bevor der Junge etwas sagen konnte, übernahm Wayne Rooney das Wort. »Muss ich jetzt überrascht sein?« fragte er.
Ich winkte ab. »Das liegt an Ihnen.«
»Verdammt, bin ich froh, dass Sie hier neben mir sitzen. Da bekommt man Dinge zu hören, über die ich nur den Kopf schütteln kann. Ich hätte es niemals für möglich gehalten, dass es so etwas überhaupt gibt. Das ist nicht zu begreifen.«
Ich hob die Schultern. »Man muss schon in der Materie drinstecken.«
»Glaube ich gern. Und dieser komische Name, hat der Ihnen auch etwas gesagt?«
»Sie meinen Metatron?«
»Ja, so hat er geheißen.«
»Es gibt ihn. Ich habe meine Erfahrungen sammeln können, und er steht nicht eben auf der Seite des Lichts, wenn ich das mal so andeuten darf.«
Seth schenkte Wasser nach und Rooney geriet ins Grübeln.
»Ich habe mal gelernt«, sagte er nach einer Weile, »dass der Teufel auch mal ein Engel gewesen ist.«
»Ja, das erzählt man sich.«
»Stimmt das denn?« fragte Rooney.
Ich lächelte knapp. »Dies zu beurteilen überlasse ich Ihnen,
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