148 - Der Herr der Teufelszwerge
in der Vergangenheit existiert sie noch. Shrogg, der Weise, lebt dort. Er wäre in der Lage, Mr. Silver die verlorenen Kräfte wiederzugeben. Wenn Cardia stirbt, zerplatzen unsere Hoffnungen wie eine Seifenblase.«
Ich schob mir ein Lakritzbonbon zwischen die Zähne.
»Aber wie wollen Sie Sammeh finden?« fragte Tucker Peckinpah.
»Niemand weiß, wohin Lenroc den Kleinwüchsigen geschafft hat.«
»Zunächst gilt es, Zeit zu gewinnen«, sagte ich. »Wir müssen versuchen, Cardias langsames Sterben zu stoppen oder zumindest erheblich zu verlangsamen. Erst dann können wir alles daransetzen, um Sammeh zu finden. Wir müssen es irgendwie schaffen. Es muß uns einfach gelingen, verdammt.«
»Nun kommt Cruvs Verschwinden dazwischen.«
»Ja, das ist ein harter Brocken, der uns schwer im Magen liegen wird, Partner.«
»Lenroc kann nicht dahinterstecken.«
»Sieht so aus«, brummte ich und zog die Augenbrauen grimmig zusammen.
»Zuerst dachten wir, Cruv durch diese Gasexplosion verloren zu haben, und nun verschwindet er spurlos. Wissen Sie, woran mich das erinnert, Tony?«
»An das Schicksal, das Tuvvana, Cruvs kleine Freundin, ereilte«, sagte ich. »Der Gedanke ist mir auch schon gekommen. Ob ihn ein ähnliches Schicksal ereilt hat?«
»Da sei Gott vor!« sagte der Industrielle mit erhobenen Händen.
»Vielleicht wurde Cruv von gewöhnlichen Verbrechern entführt. Es ist bekannt, wie wir zueinander stehen und daß ich bereit wäre, für den Kleinen ein Lösegeld in jeder Höhe zu bezahlen.«
Ich sah Peckinpah zweifelnd an. »Sie glauben nicht wirklich an diese Möglichkeit.«
Der Industrielle seufzte. »Nein, Tony, Sie haben recht, ich glaube nicht daran, ich klammere mich lediglich an diese Hoffnung wie ein Ertrinkender an den Strohhalm. Ich hoffe die ganze Zeit, daß das Telefon läutet und irgendein Gangster mir mitteilt, wo ich Cruv abholen kann und wieviel Geld mich das kostet. Aber das Telefon bleibt stumm.«
»Die Geschichte ergäbe einen Sinn, wenn es Lenroc gelungen wäre, am Leben zu bleiben«, sagte ich nachdenklich.
»Fast wünsche ich mir das.«
»Weshalb?« fragte Tucker Peckinpah.
»Weil unsere Chancen, Sammeh zu finden, größer wären, wenn Lenroc noch lebte. Wenn wir ihn erst haben, ist es wahrscheinlich nur noch ein kleiner Schritt zu Sammeh. Und dort würden wir dann mit Sicherheit auch Cruv finden. Lenroc könnte sich Cruv geholt haben, um sich an uns zu rächen. Weder Metal noch ich sahen den Dämon sterben. Metal hatte Lenroc zwar schwer verletzt, aber ob er an dieser Verletzung tatsächlich zugrunde ging oder ob er ertrank, wissen wir nicht. Theoretisch besteht die Möglichkeit, daß Lenroc noch lebt. Das würde bedeuten, daß wir bald wieder von ihm hören.«
Daß es so bald dazu kommen würde, hätte ich allerdings nicht gedacht.
Das Telefon läutete, und Tucker Peckinpah ging an den Apparat. Er schaltete das Gespräch auf Lautsprecher, hatte keine Geheimnisse vor mir.
Ein hohntriefendes Gelächter flog durch den Raum.
Mich überlief es eiskalt.
***
Estelle Albernathy wischte sich trotzig die Tränen ab. Was hatte sie erwartet? Eigentlich hatte sie doch damit gerechnet, daß ihr Mutter und Vater nicht glauben würden.
Warum ärgerte sie sich so sehr darüber?
Ich werde beweisen, daß ich die Wahrheit gesagt habe, dachte das blonde Mädchen zornig. Ich kann zwar meine Beine nicht mehr gebrauchen, aber meinen Verstand und meine Arme. Wenn ich will, schaffe ich es, die Mauer dort drüben zu überklettern und auf das verwilderte Grundstück zu gelangen, und es wird mir auch gelingen, in die Villa zu kommen. Ich werde hier eine Nachricht hinterlassen, wo ich bin. Damit werde ich meine Eltern zwingen, ebenfalls hinüberzugehen, und dann werde ich sie mit der Nase auf die Wahrheit stoßen.
Das Mädchen richtete sich auf. Sie konnte nicht verstehen, daß die Erwachsenen manchmal so starrsinnig sein konnten.
Was sie nicht akzeptieren wollten, weil es ihnen unangenehm war, ignorierten sie einfach.
Aber es ließ sich nichts dadurch ungeschehen machen, indem man sich weigerte, es als Tatsache anzuerkennen und sich damit auseinanderzusetzen.
Vater würde bald aus dem Haus gehen und Mutter würde in der Küche zu tun haben. Sie würde nicht merken, wenn sich Estelle heimlich aus dem Haus stahl.
Das Kind war entschlossen, im Rollstuhl zur Villa zu fahren. Das größte Hindernis war die Mauer. Wenn Estelle die erst mal hinter sich hatte, gab es nichts mehr, was sie aufhalten
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