148 - Operation Harmagedon
steigerte seine Einsamkeit ins Unerträgliche. Er war das einzige Lebewesen hier oben im kalten Himmel zwischen All und Erde: er, Thgáan, der letzte Lesh'iye!
Mit dieser Erkenntnis wuchs auch die Angst in ihm, wuchs wie eine böse Krankheit. Seine Schwingen wurden schwerer und schwerer. Er hörte auf, sie zu bewegen, schwebte nur noch.
Du wirst einen anderen Zweck für deine Existenz wählen müssen, Thgáan, ein neues Ziel. Also wähle. Vielleicht gelingt es. Du wirst dich verändern müssen, Letzter der Lesh'iye, also verändere dich. So wie alles sich verändert hat, dort unten, hier oben und in dir selbst…
***
Atlantischer Ozean, 32°44' Nord, 64°59' West, September 2521
Stumm wie ein zerstörter Kometenkristall blieb Fudoh. Lag es an Crows Gegenwart? Vermutlich, denn während des Kriegsrates in London war der General von der Westküste durchaus gesprächig gewesen. Drax fragte sich, ob zwei derart verfeindete Männer tatsächlich Seite an Seite gegen einen gemeinsamen Feind kämpfen konnten. Zweifel beschlichen ihn. Würde Fudoh nicht die Gunst der Stunde zur Rache nutzen?
Ein paar Stunden später landeten sie in den Überresten des ehemaligen Los Angeles. El'ay nannten die Eingeborenen an der meerakanischen Westküste die große Ruinensiedlung heute. Der Maskenmann und Naoki trafen letzte Absprachen.
Beider Streitkräfte hatten den Auftrag, über den Pazifik zum Kratersee vorzustoßen und einen Scheinangriff auf den künstlichen Damm zu führen, der den trockengelegten Kometenkrater vom pazifischen Ozean trennte.
Naoki versprach, dass ihre Einheiten in spätestens achtundvierzig Stunden an der Westküste eintreffen würden.
Der Maskenmann sagte zu, in dieser Zeit zwei ausreichend große Schiffe seetüchtig zu machen. Von der Asiatin und Drax verabschiedete er sich mit Handschlag, bevor er ausstieg, Crow und seinen Adjutanten würdigte er keines Blickes.
Es war später Nachmittag in diesem Teil der Welt, als sie starteten und auf Ostkurs gingen. Crow wurde nun gesprächiger. Nie zuvor waren die beiden unterschiedlichen Männer in die Situation geraten, so viele Stunden miteinander verbringen zu müssen.
Der General und Präsident des Weltrates nutzte die Gelegenheit, Matthew Drax über die Verhältnisse der Welt auszufragen, aus der er stammte. Wie die politischen Systeme ein halbes Jahrtausend zuvor funktioniert hatten, wie die US-Armee organisiert und vor allem, wie sie bewaffnet war. Wie die Menschen zu Matts Zeiten lebten, welche Musik sie hörten, was sie lasen, wie sie liebten, wie sie ihre Kinder erzogen – all das interessierte ihn.
Der Mann aus der Vergangenheit ließ sich auf das Gespräch ein und stand Rede und Antwort. Bald versank er in Erinnerungen, und die Welt, aus der ein unbegreifliches Phänomen ihn vor mehr als fünf Jahren in diese Zukunft geschleudert hatte, war ihm plötzlich präsenter als der Gleiter, in dem er saß, als die Macht, die der Kahlkopf vertrat, der ihm gegenübersaß, und als das verwüstete Land, das sie gemeinsam überflogen.
Irgendwann stand Arthur Crow auf, ging zur Luke, die den Passagierraum vom Cockpit trennte, und schloss sie. »Haben Sie… hatten Sie Kinder, Commander Drax?«, fragte er, als er wieder Matt gegenüber Platz nahm.
»Ich habe eine fünfjährige Tochter. Mit Mrs. Jensen; Sie haben sie während der Konferenz kennen gelernt.« Matt dachte an Liz, die Frau, die er in seinem ersten Leben geliebt hatte und die sich von ihm scheiden ließ. Und er dachte an das ungeborene Kind, das eine fremde Macht – vermutlich die Daa'muren – aus Aruulas Körper geraubt hatte. »Früher, in der Zeit vor dem Kometeneinschlag, hatte ich keine Kinder.«
»Dann sind Sie also auch Vater, genau wie ich. Und genau wie ich haben Sie eine Tochter.« Crow beugte sich vor, stützte die Arme auf die Knie und senkte den schmalen Schädel. »Ob so ein Mädchen fünf ist oder fünfundzwanzig – das macht keinen Unterschied. Wenn seiner Tochter etwas zustößt, trifft es einen Mann mitten ins Herz. Verstehen Sie das, Drax?«
»O ja, Sir – das verstehe ich sogar sehr gut.« Matt dachte an die bangen Wochen, in denen Ann in den Händen der Daa'muren gewesen war. Ein Kloß schwoll in seiner Kehle.
»Das ist furchtbar.«
»Meine Tochter Lynne muss nun schon so lange die Gefangenschaft bei diesen Bestien am Kratersee ertragen…«
Sehr leise sprach Crow jetzt wieder. Er schüttelte den Kopf.
»Ich weiß nicht, wie es ihr geht, ich weiß nicht einmal…« Er
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