1484 - Der Tod eines Nakken
hauchte Hermyth schließlich, und damit war seiner Meinung nach alles gesagt.
Jawohl, da stand er, und er war absolut perfekt. Seine Gestalt, seine Sinnesorgane, seine Bekleidung - falls man es so nennen konnte -, selbst die Färbung seiner Haut, dieses seltsame Blau, das irgendwie feucht und schik lernd wirkte, alles stimmte bis zum letzten Pünktchen. Sogar der metallene Überzug, der Teile seines Körpers bedeckte, war vorhanden und glänzte gold- und silberfarben, indes die Sonne höher stieg und erste Strahlen in den Hof hinunterschickte. „Na?" fragte Hephtem schließlich mit gespieltem Gleichmut. „Er ist großartig!" erwiderte Masquam inbrünstig. „Du bist ein Genie!" verkündete Dreight. „Ist mir bekannt", wehrte Hephtem ab. „Aber macht nur ruhig weiter. So etwas kann ich mir stundenlang anhören."
„Wie du das hinbekommen hast!" schwärmte Hermyth. „Einfach toll. Als ob du ihn selbst gesehen hättest! Ehrlich gesagt - ich habe schon nicht mehr daran geglaubt, daß es ein so gutes Ende nehmen würde. Aber warum hast du uns so lange warten lassen?"
„Ihr hättet wohl kaum ein halbes Jahr lang dieses Zeug für mich gesammelt, wenn ich gleich angefangen hätte", knurrte Hephtem. „Na ja", meinte Masquam nachdenklich. „Ein bißchen ungerecht ist dieses Geschäft schon, nicht wahr?
Du hast ein paar Tage gebraucht. Wir dagegen haben ein halbes Jahr lang geschuftet, und das zu dritt..."
„Besondere Leistungen müssen auch besonders hoch bezahlt werden", behauptete Hephtem arrogant. „Flaschen sammeln kann>jeder, aber die Herstellung einer solchen Statue erfordert andere Fähigkeiten.
Ihr hättet das nie zustande gebracht, und wenn ihr hundert Jahre dafür gehabt hättet!"
Das sahen sie zwar ein, aber so ganz geheuer war ihnen das Geschäft nicht. Zu viel Mühe und Arbeit hatten sie aufwenden müssen, zu lange waren sie in staubigen Kellern herumgekrochen, zu oft hatten sie urn ihr Leben bangen müssen.
Denhoch gaben sie sich zufrieden und machten sich daran, die Statue in Sicherheit zu bringen. Es war sowieso zu spät, um jetzt noch zu schimpfen und Hephtem mit Vorwürfen zu bombardieren. Er hatte bekommen, was er hatte haben wollen, und Masquam, Dreight und Hermyth konnten endlich ein wirklich authentisches Bild des Geistes vorweisen, den sie verehren wollten.
Sie luden die Statue auf eine Karre und zogen sie im Triumphzug durch die ganze Stadt, vom Süden, wo Hephtem lebte, bis ganz weit hinauf in den Norden, wo sich das Heiligtum der drei befand.
Und genau das hätten sie nicht tun sollen.
*
Zuerst fiel ihnen auf, daß erstaunlich viele Menschen an den Straßenrändern standen, um den Transport der Statue zu beobachten, und diese Leute legten ein höchst bemerkenswertes Maß an Fröhlichkeit an den Tag. Sie riefen, lachten, pfiffen und johlten, als sei dies ein Volksfest. Regelrechte Menschenmassen kamen da zusammen.
Anfangs dachten Masquam, Dreight und Hermyth an die große, begeisterte Gemeinde, die sich nach einem solchen Erfolg um die Statue des Geistes versammeln würde. Aber als ihr Publikum immer größer und fröhlicher wurde, je weiter sie kamen, wurde ihnen die Sache allmählich doch ein wenig unheimlich.
Sie hatten das unbestimmte Gefühl, daß man sie auslachte. Aber sie konnten sich beim besten Willen nicht vorsteHen, warum die Leute das tun sollten.
Sie waren heilfroh, als sie ihr Ziel endlich erreichten und die Statue über die brüchige Treppe in jenen Raum hinaufgewuchtet hatten, in dem ihnen der Geist erschienen war.
Aber in diesem Raum erwartete sie eine neue Überraschung, denn dort saß ein Mann, den sie nie zuvor gesehen hatten. „Habe ich euch also doch erwischt", sagte dieser Mann und deutete auf die drei und die Last, an der sie schwer zu schleppen hatten. „Kehrt am besten gleich wieder um."
Sie starrten ihn verwundert an. „Warum?" fragte Dreight, und er sah nicht sehr geistreich dabei aus. „Nun", sagte der Mann in jenem bemüht geduldigen Tonfall, der deutlich zu verstehen gab, daß er drauf'und dran war, vor Wut an die Decke zu gehen. „Ihr werdet doch wohl nicht glauben, daß ich mir dieses kostbare Stück so einfach klauen lasse? Ich, bin Gomphu, und diese Figur gehört mir!"
Die drei setzten die Statue ab und blickten sich ratlos an. „Wir verstehen dich nicht", bemerkte Masquam. „Wir haben nichts gestohlen. Hephtem hat diese Statue für uns angefertigt. Und allein nach unseren Angaben."
„Hephtem?" Der Mann bekam einen
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